Blut- und Gewebetransporte unterliegen regelmäßig nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz

12.10.2023
4 Minuten

Mit Urteil vom 05.04.2023, das am 27.07.2023 veröffentlicht wurde, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Blut- und Gewebetransporte jedenfalls dann nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen sollen, wenn der Transport zwischen Arztpraxen und Kliniken zu Laboreinrichtungen durchgeführt wird.

Hintergrund

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck unter anderem darin bestand, “verletzten, kranken und behinderten Menschen Hilfe zu leisten und eine Transportmöglichkeit mit vereinseigenen Fahrzeugen zu schaffen”.

In den Streitjahren 2014 bis 2016 transportierte der Kläger unter anderem Blut- und Gewebeproben von Arztpraxen oder Krankenhäusern zu Laboren. Die hierfür verwendeten Fahrzeuge waren dabei teilweise mit blauem Rundumlicht und Martinshorn ausgerüstet. Vertragsbeziehungen bestanden lediglich zwischen dem Kläger sowie den Krankenhäusern, Ärzten und Laboren, nicht aber zu den Patientinnen und Patienten, deren Proben transportiert wurden.

Im Rahmen der Umsatzsteuererklärungen gab der Kläger unter anderem Umsätze zum ermäßigten Steuersatz aus diesen Blut- und Gewebetransporten an.

Nach einer Außenprüfung ging das Finanzamt in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden der Streitjahre davon aus, dass die Umsätze aus den Blut- und Gewebetransporten nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz unterliegen. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Verein erfolgreich Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht (Urteil vom 28. Juni 2022, Az: 4 K 96/19).

Entscheidung des BFH

Der BFH hob nun das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache mangels hinreichender Feststellungen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das erkennende Gericht zurück.

Nach Ansicht des Senats wurde nicht deutlich, aufgrund welcher Tatsachen und aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen sich die Schlussfolgerung des FG ergeben würde, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG erfüllt seien. Im Wesentlichen seien dabei die Fragen zu klären, ob die Steuersatzermäßigung für den Zweckbetrieb nach § 66 AO (Wohlfahrtspflege) begehrt wird und falls dies verneint wird, ob die Wettbewerbsklausel des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG unterliegt.

Blut- und Gewerbetransport als Selbstverwirklichung der Wohlfahrtspflege (§ 66 AO)?

Zunächst sei zu prüfen, ob der Kläger mit den Blut- und Gewebetransporten seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichte. Hierfür hat das FG zum einen festzustellen, welche steuerbegünstigten Zwecke nach der Satzung des Klägers verfolgt würden und ob es sich hierbei um die Förderung des Wohlfahrtswesens nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AO, der Mildtätigkeit nach § 53 AO oder um eine Verfolgung beider Zwecke handeln würde. In diesem Zusammenhang könne insbesondere zweifelhaft sein, ob die vom Kläger durchgeführten Transporte als Selbstverwirklichung der Förderung des Wohlfahrtswesens nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AO anzusehen seien.

Außerdem setzt die Selbstverwirklichung durch die Zweckbetriebsleistung voraus, dass die Leistung vom konkreten Satzungszweck der Körperschaft erfasst würde. Da der Blut- und Gewebetransport nicht ausdrücklich als Zweck oder als Maßnahme zur Zweckverwirklichung in der Satzung bezeichnet

sei, hat das FG durch Auslegung der Satzung festzustellen, ob die streitgegenständlichen Blut- und Gewebetransporte von der Satzung ("verletzten, kranken und behinderten Menschen Hilfe zu leisten und eine Transportmöglichkeit mit vereinseigenen Fahrzeugen zu schaffen") erfasst sind.

Sofern die Satzung vorliegend nur dahingehend auszulegen ist, dass Personentransporte erfasst sind, sei zu prüfen, ob der Transport von Blut und Gewebe dem Transport von alten, kranken oder behinderten Personen gleichzustellen sei. Allerdings verweist der BFH bereits darauf, dass umsatzsteuerrechtlich die Steuerbefreiung für die Beförderung von kranken und verletzten Personen (§ 4 Nr. 17 Buchst. b UStG) von der Lieferung menschlichen Blutes (§ 4 Nr. 17 Buchst. a UStG) abzugrenzen sei, mithin eine Vergleichbarkeit vermutlich zu verneinen wäre.

Besteht ferner ein Wettbewerb mit Unternehmern, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen?

Unabhängig vom Ausgang der vorstehenden Frage sei weiter zu prüfen, ob die streitgegenständlichen Leistungen in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG).

Bei den zusätzlichen Einnahmen käme es weder darauf an, ob der Kläger aus den Einnahmen geringe oder keine Gewinne erzielt hat, noch darauf, ob die Einnahmen dem Kläger verblieben seien. Für die Frage, ob Umsätze mit Wettbewerbscharakter vorliegen, sei entscheidend, ob der Kläger mit den Leistungen seines Zweckbetriebs (hier: Blut- und Gewebetransporte) in Wettbewerb zu anderen Unternehmern tritt, die vergleichbare Leistungen ohne Anspruch auf Ermäßigung am Markt anbieten. Dies könne zum Beispiel bei Transporten unter Verwendung eines Blaulichts nicht der Fall sein.

Erngänzender Hinweis des BFH zu § 66 AO

Der Senat wies abschließend darauf hin, dass die Transportleistungen des Klägers den hilfebedürftigen Personen nicht im Sinne des § 66 Abs. 3 AO "zugute kommen", da sie nicht entsprechend der bisherigen BFH-Rechtsprechung "an den Patienten" erbracht wurden, sondern Kontakt zu diesen lediglich über die in verschlossenen und verpackten Behältnissen befindlichen Blut- und Gewebeproben bestand.

Praxistipp

Der BFH hatte sich vorliegend erneut mit der Auslegung und Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG zu beschäftigen. Dies verwundert nicht; so war die Norm in Ihrer aktuellen Fassung durch den Gesetzgeber unpräzise gestaltet worden. Die unglückliche Formulierung führte in der Folge häufig dazu, dass es zu Unsicherheiten und unterschiedlichen Auslegungen in der Praxis kam. Erfreulicherweise hat der Gesetzgeber im Rahmen des Wachstumschancengesetz reagiert und die Wettbewerbsklausel des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG dahingehend eingeschränkt, dass nunmehr allgemeine Zweckbetriebe im Sinne des § 65 AO hiervon ausgenommen sind. Ob gemeinnützige Organisationen, die den Blut- und Gewebetransport durchführen, hiervon künftig profitieren können, wird sowohl von Ihrer Satzung als auch vermutlich vom Ausgang des zweiten Rechtsgangs am Schleswig-Holsteinische Finanzgericht abhängen.

Sollten Sie Ihre Satzung diesbezüglich prüfen lassen wollen, so kommen Sie gerne auf uns zu.

Bildnachweis:Harto Tompel/Stock-Fotografie-ID:1392842989

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