BFH zur Steuerfreiheit bei mittelbarer Kostentragung durch Persönliches Budget

22.05.2025
Gemeinnützigkeit
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19.12.2024 (Az. V R 1/22), veröffentlicht am 15.05.2025, entschieden, dass Betreuungs- oder Pflegeleistungen, die über das Persönliche Budget gemäß § 17 SGB IX a.F. finanziert werden, unter bestimmten Voraussetzungen nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (nunmehr Buchst. n) umsatzsteuerfrei sein können.

Hintergrund

Die Entscheidung betrifft die Auslegung des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung, die inzwischen durch Buchst. n ersetzt wurde. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 Prozent der Fälle von gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe vergütet bekommen haben. Die Vorschrift basiert unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL, wonach Dienstleistungen im Bereich der Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, bot in den Jahren 2013 bis 2016 in zwei Wohngebäuden eine sogenannte Komplettbetreuung für psychisch erkrankte, suchtkranke oder geistig behinderte Bewohner an, die in ihrer Alltagsbewältigung erheblich eingeschränkt waren. Die erbrachten Leistungen bestanden in ambulanten pädagogischen Fach- und Assistenzleistungen, die auf Grundlage individueller Verträge mit den jeweiligen Bewohnern erfolgten. Diese Bewohner beantragten Leistungen zur Teilhabe in Form eines Persönlichen Budgets nach § 17 Abs. 2 SGB IX a.F. Der zuständige Landeswohlfahrtsverband (LWV) bewilligte diese Budgets in Form von Zielvereinbarungen, die den Unterstützungsbedarf und die Budgethöhe individuell festlegten.

Die Klägerin stellte ihre Leistungen den Bewohnern auf Grundlage der Bewilligungen in Rechnung, unabhängig davon, ob die vereinbarten Ziele tatsächlich erreicht wurden. In ihren Umsatzsteuererklärungen erklärte sie ausschließlich steuerfreie Umsätze. Das zuständige Finanzamt hingegen behandelte die Umsätze als steuerpflichtig und setzte entsprechende Umsatzsteuer fest. Es vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG a.F. nicht erfüllt seien, insbesondere weil die gesetzlich geforderte Mindestvergütungsquote nicht erreicht werde und keine mittelbare Kostentragung durch den LWV vorliege.

Die gegen die Steuerfestsetzungen eingelegten Rechtsbehelfe der Klägerin blieben erfolglos. Das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Leistungen zwar eng mit der Betreuung hilfsbedürftiger Personen verbunden seien, jedoch die gesetzlich geforderte Mindestquote von 25 Prozent (bis 30.06.2013: 40 Prozent) nicht erfüllt sei. Die vom LWV im Rahmen des Persönlichen Budgets bereitgestellten Mittel könnten insoweit nicht als mittelbare Kostentragung gewertet werden.

Entscheidung des Gerichts

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurück. Er stellte klar, dass Betreuungs- oder Pflegeleistungen auch dann nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung steuerfrei sein können, wenn sie über das Persönliche Budget finanziert werden, sofern eine mittelbare Kostentragung durch den zuständigen Leistungsträger vorliegt. Eine solche mittelbare Kostentragung liegt nach Auffassung des BFH dann vor, wenn der Leistungsträger in Bezug auf die Person des Leistungserbringers eine explizite Entscheidung trifft, aus der eine Anerkennung zur Leistungserbringung hervorgeht.

Der BFH präzisiert, dass eine mittelbare Kostentragung aufgrund einer expliziten Entscheidung der in § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG genannten Träger nicht nur dann vorliege, wenn ein von diesen Trägern unmittelbar beauftragter Leistungserbringer seinerseits einen Subunternehmer beauftrage, sondern auch dann, wenn eine Beauftragung über die Leistungsempfängerseite durch die von dieser Vorschrift begünstigte Person vorliegt. Daher sind entgegen dem Urteil des FG auch aus dem Persönlichen Budget bestrittene Leistungen für die Bemessung der Mindestvergütungsquote des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG zu berücksichtigen, wenn eine solche explizite Entscheidung der in dieser Vorschrift genannten Träger vorliegt. Hierfür müsse der Träger die Kosten kennen und den Leistungserbringer zumindest mittelbar auch anerkennen.

Das Finanzgericht hatte dies nach Auffassung des BFH unzureichend geprüft und sich stattdessen zu sehr auf die formale Trennung der Zahlungsebenen und die Nichterfüllung der Mindestquote fokussiert. Der BFH betonte, dass die Beurteilung der Kostentragung aus Sicht des Sozialleistungsrechts zu erfolgen habe und wies insbesondere auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL hin. Die unionsrechtlichen Vorgaben würden keine unmittelbare Zahlung durch den Träger erfordern, sondern ließen eine mittelbare Kostentragung zu, wenn eine inhaltlich tragende Verbindung zwischen Träger, Leistung und Leistungserbringer besteht.

Da das Finanzgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der LWV im konkreten Fall eine solche inhaltliche Anerkennung der Klägerin als Leistungserbringerin vorgenommen hatte, war eine abschließende Entscheidung durch den BFH nicht möglich. Es sei zu prüfen, ob die Klägerin von den Bewohnern in deren Antrag auf Gewährung von Leistungen im Wege des Persönlichen Budgets ausdrücklich genannt wurde und ob die Behauptung der Klägerin, sie habe dem LWV die pädagogische Befähigung ihrer Mitarbeiter nachweisen müssen, zutrifft.

Ausblick

Die Entscheidung des BFH hat weitreichende Bedeutung für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen, die im Rahmen des Persönlichen Budgets erbracht werden. Insbesondere stellt der BFH klar, dass eine mittelbare Kostentragung durch den Sozialleistungsträger auch dann vorliegen kann, wenn die Leistungen formal vom Leistungsempfänger selbst finanziert werden, sofern der Träger die Person des Leistungserbringers explizit anerkannt hat. Damit wird die unionsrechtlich gebotene Auslegung zugunsten einer funktionalen Betrachtung gestärkt, bei der nicht der Zahlungsweg, sondern die Entscheidungskompetenz des Trägers über den Leistungserbringer im Mittelpunkt steht.

Für die Praxis ergibt sich daraus eine erhöhte Bedeutung der Verwaltungsakte und Zielvereinbarungen im Rahmen der Bewilligung von Persönlichen Budgets. Leistungserbringer sollten dokumentieren können, dass der Sozialleistungsträger ihre Einbindung im Rahmen des Bewilligungsprozesses geprüft und akzeptiert hat. Dies kann etwa durch Verweise auf Qualifikationsanforderungen, Rechnungsprüfungen oder ein Prüfungsverhalten bei Abrechnungen erfolgen.

Falls Sie ähnliche Fragestellungen oder weitere Informationen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Leistungen im Sozialbereich benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.

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