Mit Urteil vom 10. Dezember 2020, das am 17.06.2021 veröffentlicht wurde, hat der Bundesfinanzhof (BFH) in Sachen einer gemeinnützigen Einrichtung entschieden, dass die Durchführung einer künstlerischen Darbietung, bei der die Bewirtung einen Bestandteil des aufgeführten Stückes darstellt, weder umsatzsteuerfrei ist noch dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Der Entscheidung liegt ein Sachverhalt aus Sachsen zugrunde, bei dem eine für die Förderung von Kunst und Kultur als gemeinnützig anerkannte GmbH (gGmbH) ein Volkstheater betreibt und unter anderem eine Veranstaltung „A“ durchführt, bei der die Gäste mit dem Kauf einer Eintrittskarte die Eintrittsberechtigung sowie die Berechtigung zum Verzehr eines Drei-Gänge-Menüs erhalten. Bei der nachmittäglichen Veranstaltung “B” ist in der Eintrittsberechtigung die Berechtigung zur Einnahme von Kaffee/Tee, Kuchen, Eis und Herzhaftem enthalten. Das Stück beginnt, wenn die Gäste den Raum betreten. Schauspieler weisen den Gästen ihre Plätze zu. Im Rahmen des Stücks erhalten die Gäste wie auch die Schauspieler ein Essen, das in die einzelnen Szenen integriert ist. Dabei sind die Schauspieler zugleich das Bedienpersonal. Die Aufführung wird nicht unterbrochen. Während des gesamten Stückes werden die Gäste in die Szenen einbezogen. Die Essensvarianten sind Bestandteile der einzelnen Szenen und sollen die Volkstümlichkeit der Aufführungen sowie sächsische Besonderheiten hervorheben.
Das zuständige Regierungspräsidium bescheinigte der gGmbH gemäß § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt.
Nachdem die gemeinnützige Einrichtung für die Jahre 2010 bis 2012 zunächst steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug deklarierte, erklärte sie mit geänderten Umsatzsteuererklärungen für die betreffenden Jahre und ab 2013 Leistungen mit dem ermäßigten Steuersatz und machte erstmals für die Streitjahre Vorsteuern geltend.
Das Finanzamt (FA) unterwarf die streitbefangenen Umsätze jedoch dem Regelsteuersatz.
Das Finanzgericht Sachsen (FG) gab der Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren statt und entschied, dass die Umsätze nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz1 UStG steuerfrei seien, weil die Klägerin eine gleichartige Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG, die ein Theater betreibe und der die zuständige Landesbehörde bescheinigt habe, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfülle. Die beiden Leistungsbestandteile künstlerische Leistung und Bewirtungsleistung stünden nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung. Denn bei beiden Leistungen handele es sich nicht um ein bloßes Mittel, um die jeweils andere Leistung bestmöglich in Anspruch zu nehmen. Bewirtung und Darbietung erfüllten einen gemeinsamen Zweck und seien derart eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden würden. Gleichwohl liege keine dem Regelsteuersatz unterliegende komplexe Leistung eigener Art vor. Vielmehr liege nach Würdigung aller Umstände eine einheitliche Theaterleistung vor. Ein Vergleich mit Dinnershows verbiete sich, denn der Theaterbesucher habe weder Einfluss auf die Menüauswahl noch auf die Reihenfolge der Speisen.
Hiergegen wendete sich das Finanzamt mit der Revision.
Die Richter des BFH folgten der Auffassung der FG in Bezug auf das Vorliegen einer einheitlichen Leistung, weil aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die Theateraufführung und die Elemente der Bewirtung in einem untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung lebensfremd wäre, miteinander verbunden seien. Entgegen der Ansicht des FG handle es sich bei dieser einheitlichen Leistung jedoch nicht um eine Theaterleistung i.S. des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG. Denn die in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG nicht näher beschriebenen Umsätze der Theater seien nur solche Leistungen, die für den Betrieb eines Theaters typisch sind. Bewirtungsleistungen aber sind für den Betrieb eines Theaters nicht typisch und gehen — insbesondere beim Servieren eines mehrgängigen Menüs– aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auch nicht vollständig in der Theaterleistung auf. Bei mehreren Leistungsbestandteilen setze die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG voraus, dass die begünstigte Vorführung der Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung ist und den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Hieran fehle es, wenn sich das Leistungsbündel aus künstlerischer Unterhaltung und kulinarischer Versorgung der Gäste – wie im Streitfall – in der Gesamtschau als einheitlicher (komplexer) Umsatz darstellt.
Durch die Verflechtung beider Komponenten sei es dem Verbraucher nicht möglich, nur die künstlerische oder nur die kulinarische Leistung in Anspruch zu nehmen. Eine derartige komplexe Leistung unterliegt der Regelbesteuerung auch dann, wenn die Qualität der Darbietung höher ist als die Qualität der Speisen.
Aus denselben Gründen scheide auch eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG aus. Schließlich käme auch eine Steuerermäßigen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG nicht in Betracht. Denn jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UstG i. V. m. § 64 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nicht vor, weil die Leistungen nicht im Rahmen eines Zweckbetriebes ausgeführt worden seien. Denn nach § 68 Nr. 7 AO seien zwar kulturelle Einrichtungen – wie u. a. Theater – Zweckbetriebe. Dazu gehöre aber nach ausdrücklicher Anordnung durch § 68 Nr. 7 AO nicht der Verkauf von Speisen und Getränken. Dies gelte allgemein und damit auch im Streitfall.
Der entschiedene Fall ist mit der Folge der Regelbesteuerung auch auf Krimi-Dinner, Dinner-Shows oder ähnlichen Veranstaltung anzuwenden, bei denen die künstlerische Darbietung mit der Bewirtungsleistung derart eng zusammenhängt, dass von einer einheitlichen Leistung auszugehen ist.
BFH, Urt. v. 10.12.20, V R 39/18