Umsatzsteuerrechtliche Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG für Kids-Wing-Tsun-Kurse

16.11.2023
Umsatzsteuer
3 Minuten

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (OVG) hat mit Urteil vom 24.08.2022 (Az.: 3 LB 1/22) entschieden, dass Wing-Tsun-Angebote als Mittel der Gewaltprävention regelmäßig nicht der Bescheinigung für eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG zugänglich sind.

Was regelt die Norm?

Gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Dieses zweistufige Verfahren sieht der Gesetzgeber vor, da die zuständige Landesbehörde zunächst mit ihrer Expertise bescheinigen soll, dass es sich um Leistungen, die der Vorbereitung auf eine öffentlich-rechtliche Prüfung oder einen Beruf dienen sollen, handelt. Erst im zweiten Schritt sind die weiteren Voraussetzungen durch die Finanzbehörden festzustellen.

Sofern die Bescheinigung für bestimmte Kurse vorliegt, sind nach § 4 Nr. 21 Buchst b bb UStG auch die Leistungen der Lehrer an die gemeinnützige Körperschaft für diese Kurse umsatzsteuerfrei.

Sachverhalt

Der Kläger, ein privatrechtlicher Anbieter von Wing-Tsun-Kursen, begehrte für Teile seines Kursprogramms eine Bescheinigung zur Umsatzsteuerbefreiung. Hierbei handelt es sich maßgeblich um Kurse der chinesischen Kampfkunst Wing-Tsun für Kinder im Vor- und Grundschulalter. Die zuständige Behörde hatte eine Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG versagt. Einer hiergegen gerichteten Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Zu Unrecht, wie das OVG nun entschied.

Entscheidung des OVG

Aus der Sicht des OVG würden die streitgegenständlichen Kursangebote weder der Prüfungsvorbereitung noch der Vorbereitung auf einen Beruf dienen. Auch handelt es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen nicht um „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuersystemrichtlinie.

Nach regelmäßiger Rechtsprechung sei ein Kurs nur dann bescheinigungsfähig, wenn er so ausgerichtet sei, dass er bei lebensnaher Betrachtung bewusst und ernsthaft als Prüfungsvorbereitung genutzt werden könne und auch genutzt werde, wobei es nicht ausreiche, dass eine Maßnahme im Hinblick auf das spätere Bestehen der Prüfung (ohne einen finalen Zusammenhang) irgendwie noch als förderlich angesehen werden könne. Der mit den Wing-Tsun-Angeboten für Kinder im Vor- und Grundschulalter möglicherweise verbundene Erwerb sozialer Kompetenzen, namentlich im Bereich „Gewaltprävention“, genüge dieser Anforderung gerade nicht. Ein Zusammenhang mit einer Prüfung, die vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegen wäre, sei für den Senat nicht erkennbar. Das Erlenen von bestimmten sozialen Kompetenzen sei jedenfalls nicht Voraussetzung für die Aufnahme in die Grundschule, innerhalb derer zudem keine Prüfung abzulegen sei.

Darüber hinaus würden die Kurse auch nicht der Vorbereitung auf einen Beruf dienen, denn es handle sich hierbei zwar um spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht. Für die Vorbereitung auf einen Beruf sei jedoch die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeit notwendig seien. Vorliegend sei allenfalls ein Kompetenzerwerb im Bereich der Körperbeherrschung und zwischenmenschlichen Umgangsformen erfüllt. Dem Erlernen von Wing-Tsun im Vor- und Grundschulalter fehle es mithin an einem konkreten Bezug zu einer nachgelagerten Berufsausbildung. Die Landesbehörden dürften sich bei Ihrer Beurteilung nicht davon leiten lassen, sämtliche Bildungsleistungen durch Umsatzsteuerbefreiungen erschwinglich zu halten. Eine solch weite Auslegung sei vom Wortlaut der Norm nicht umfasst. Eine andere Bewertung könne sich auch nicht europarechtskonformer Auslegung ergeben.

Praxistipp

Für die Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG ist ganz maßgeblich, ob durch die entsprechende Ausbildung die Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten gefördert wird, die zur konkreten Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeit notwendig sind oder auf eine öffentlich-rechtliche Prüfung vorbereiten. Insofern ist ein enger Maßstab anzulegen, sodass im Ergebnis nur Raum für direkt mit einer etwaigen Prüfung bzw. Berufsausbildung verbundene Fähigkeiten bleibt. Die allgemeine Persönlichkeitsbildung im weiteren Sinn reicht für eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) UStG nicht aus.

Bildnachweis:Alxer/shutterstock/Stock-Vektorgrafik ID: 1542823964

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