Wenn der Vorstand streitet: Wann darf die Stiftungsaufsicht eingreifen?

25.11.2025
Gemeinnützigkeit
4 Minuten

Das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg (Breisgau) hat sich mit Beschluss vom 21.01.2025 (Az. 10 K 693/24) mit der Frage befasst, wann die Stiftungsaufsicht bei einem zerstrittenen Vorstand eingreifen darf. Der Fall zeigt, wie schwierig die Balance zwischen Stiftungsautonomie und staatlicher Aufsicht ist und wann die Behörde zum Schutz der Stiftung handeln muss.

Hintergrund

Stiftungen sind wegen ihrer mitglieder- und eigentümerlosen Organisationsstruktur besonders schutzbedürftig. Die staatliche Stiftungsaufsicht soll dem im Stiftungsgeschäft und in der Stiftungssatzung zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen gegen abweichendes Verhalten der Organe zur Durchsetzung verhelfen.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des baden-württembergischen Stiftungsgesetzes (StiftG) kann die Stiftungsaufsicht ein Organmitglied einer Stiftung aus wichtigem Grund, insbesondere wegen grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, abberufen. Daneben kann sie einem Stiftungsorganmitglied die Ausübung seiner Tätigkeit nach § 12 Abs. 2 StiftG unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 einstweilen untersagen. Mit dieser Möglichkeit, einem Organmitglied die Ausübung seiner Funktionen in der Stiftung auf Zeit zu untersagen, kann die Aufsichtsbehörde in Eilfällen schnell reagieren, um Schaden von der Stiftung abzuwenden.

Sachverhalt

Im Fall vor dem VG war ein Vorstandsmitglied einer Stiftung bereits mehrfach durch Beschluss des Vorstands abberufen worden. Die zivilgerichtlichen Verfahren, in denen das Vorstandsmitglied die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Abberufungen begehrte, waren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Bis zu den rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen blieb das Bestehen oder Nichtbestehen des Vorstandsamtes in der Schwebe und das abberufene Vorstandsmitglied durfte sein Amt – mangels anderweitiger Regelung in der Stiftungssatzung – weiterhin ausüben.

Flankierend untersagte deshalb die Stiftungsaufsicht dem abberufenen Vorstandsmitglied einstweilen die Ausübung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied bis zum rechtskräftigen Abschluss der zivilgerichtlichen Verfahren und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Streit im Vorstand dauere bereits seit rund drei Jahren an und Einigungsbemühungen seien gescheitert. Dadurch sei die Funktionsfähigkeit der Stiftung sowie die Erfüllung des Stiftungszwecks nicht mehr sichergestellt. Die laufenden Zivilprozessverfahren und damit die Klärung der Abberufung könnten noch Jahre andauern, so dass nicht mit einer schnellen Lösung zur Herstellung der Funktionsfähigkeit der Stiftung zu rechnen sei. Weiter bestehe eine Gefährdungslage hinsichtlich der Vermögensinteressen und der Gemeinnützigkeit der Stiftung.

Das abberufene Vorstandsmitglied wehrte sich gegen diese Untersagungsverfügung durch Klage vor dem VG und beantragte im einstweiligen Rechtsschutz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Entscheidung des Gerichts

Das VG lehnte den Antrag des abberufenen Vorstandsmitglieds auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung der Stiftungsaufsicht ab. Es stellte klar, dass ein wichtiger Grund nach § 12 Abs. 1 Satz 1 StiftG voraussichtlich auch bei einer unheilbaren Verfeindung von Vorstandsmitgliedern bzw. einer unheilbaren Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Vorstandsmitgliedern vorliegen kann. Die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung könnte auch in mangelnder Vertrauenswürdigkeit für das Amt bestehen.

Dabei stellte das VG fest, dass das betroffene Vorstandsmitglied maßgeblich zur Zerrüttung beigetragen hatte: Das Vorstandsmitglied war auch als Rechtsanwalt für die Stiftung tätig. Sein zumindest nachlässiges Verhalten im Zusammenhang mit mehreren Honorarabrechnungen hatte dazu beigetragen, dass die übrigen Vorstandsmitglieder seine Zuverlässigkeit in Frage stellen durften. Zudem hatte das Vorstandsmitglied Kontakt zur Presse aufgenommen und diese über die Vorgänge der Stiftung informiert, wodurch es gegen seine allgemeine Loyalitätspflicht verstoßen und den internen Streit in die Öffentlichkeit getragen hatte. Schließlich hatten abwertende Äußerungen gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden und die Nichtteilnahme an Vorstandssitzungen zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses beigetragen.

Aufgrund der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses würde das Wirken der Stiftung im Falle der weiteren Ausübung der Tätigkeit des Vorstandsmitglieds wesentlich gefährdet werden. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass sich der Umgangston zwischen den Vorstandsmitgliedern dahingehend entwickelt hatte, dass nicht mehr von einem kontroversen, aber dennoch professionellen Austausch die Rede sein konnte. Dass infolge des Abberufungsbeschlusses eine Kommunikation ausschließlich über Rechtsanwälte stattgefunden hatte, stünde einer gedeihlichen Zusammenarbeit innerhalb des Vorstands entgegen und stelle eine wesentliche Gefährdung des Wirkens der Stiftung dar. Ohne Sofortvollzug der Untersagungsverfügung stünde zu befürchten, dass die Arbeit des Stiftungsvorstands durch das zerrüttete Verhältnis auf unabsehbare Zeit erheblich erschwert würde.

Ausblick

Die Entscheidung des VG macht deutlich, dass eine unheilbare Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Vorstandsmitgliedern einen wichtigen Grund für eine Abberufung darstellen kann. Das Gericht hat klargestellt, dass die Stiftungsaufsicht flankierend eingreifen und die weitere Amtsausübung einstweilen untersagen darf, noch während das abberufene Vorstandsmitglied gegen seine Abberufung klagt. Der Fall macht auch die Bedeutung der Loyalitätspflichten von Vorstandsmitgliedern deutlich. Insbesondere die Weitergabe interner Informationen an die Presse, abwertende Äußerungen gegenüber anderen Vorstandsmitgliedern und die Nichtteilnahme an Vorstandssitzungen können als Beiträge zur Zerrüttung gewertet werden.

Da es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Organmitgliedern einer Stiftung kommt, kommt der Entscheidung eine hohe Relevanz für Stiftungen zu. Vorstandsmitglieder sollten sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein, Konflikte sachlich austragen und im Interesse der Stiftung lösen. Vor diesem Hintergrund können Regelungen in der Stiftungssatzung sinnvoll sein, zum Beispiel dergestalt, dass das Vorstandsamt nach Abberufung aus wichtigem Grund bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ruht.

Falls Sie Beratung bei der Ausgestaltung Ihrer Stiftungssatzung oder Fragestellungen in diesem Bereich haben benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.

Bildnachweis:FatCamera/Stock-Fotografie-ID:1074436456

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