Das Bundeskabinett hat am 30.08.2023 den Regierungsentwurf für das „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (kurz: Wachstumschancengesetz) beschlossen. Mit dem Gesetz soll den umfangreichen globalen und nationalen Krisen entgegengewirkt werden.
Der Bundestag hat am Freitag, den 13. Oktober 2023 erstmals zu diesem Gesetzesentwurf beraten, die Verabschiedung des Gesetzes ist im November geplant. Die Zustimmung des Bundesrates soll dann im Dezember erfolgen.
Nach § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 EStG dürfen Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, den Gewinn nicht mindern, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen. Der Betrag in Höhe von 35 Euro müsste zum Ausgleich der Inflation auf 46 Euro angepasst werden, soll jedoch aus Vereinfachungsgründen auf 50 Euro aufgerundet. Somit sind künftig Geschenke in Höhe von 50 Euro pro Wirtschaftsjahr an Außenstehende als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Zu den Einkünften eines Arbeitnehmers gehören auch Zuwendungen des Arbeitsgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Betriebsveranstaltungen, soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer übersteigen (§ 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a Sätze 1, 3). Dieser Freibetrag soll auf 150 Euro angehoben werden.
Keine (erneute) Prüfung des Wettbewerbs bei allgemeinen Zweckbetrieben i. S. d. § 65 AO
Nachdem die unterschiedliche Auslegung der Norm zum ermäßigten Steuersatz für Zweckbetrieb gemeinnütziger Organisationen regelmäßig zu Rechtsunsicherheiten in der Praxis führte, will der Gesetzgeber mit § 12 Absatz 2 Nummer 8 Buchstabe a UStG n. F. nunmehr klarstellen, dass diese Regelung nur auf Leistungen von besonderen Zweckbetrieben i. S. d. §§ 66 bis 68 AO anzuwenden ist. Bei Leistungen von allgemeinen Zweckbetrieben nach §65 AO findet somit künftig keine umsatzsteuerrechtliche Prüfung der Wettbewerbsrelevanz der betreffenden Zweckbetriebsleistungen mehr statt.
Dies wird damit begründet, dass bei Zweckbetrieben i. S. von § 65 AO dem Wettbewerbsgedanken bereits durch die Definition des Zweckbetriebs in § 65 AO hinreichend Rechnung getragen. Die Änderung erfolgt vor dem Hintergrund eines gegenläufigen BFH-Urteils vom 26. August 2021 - V R 5/19. Der BFH hat dort entschieden, dass die Wettbewerbsklausel des § 12 Absatz 2 Nummer 8 Buchstabe a Satz 3 UStG nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut auch auf Zweckbetriebe i. S. des §65 AO anzuwenden ist. Ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers habe keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden. In der Praxis führt die BFH-Rechtsprechung dazu, dass Leistungen von Zweckbetrieben nach § 65 AO regelmäßig dem regulären Steuersatz unterliegen. Denn Sachverhalte, bei denen Zweckbetriebe nicht zu herkömmlichen Unternehmen in Wettbewerb treten, sind kaum denkbar. Die Finanzverwaltung hatte dieses BFH-Urteil bisher nicht angewendet.
Wann liegt eine umsatzsteuerliche Selbstverwirklichung im besonderen Zweckbetrieb vor?
Die Leistungen eines besonderen Zweckbetriebes i. S. d. §§ 66 bis 68 AO werden unter anderem dann ermäßigt besteuert, wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklicht.
Der BFH hat mit Urteil vom 23. Juli 2019 - XI R 2/17 entschieden, dass die Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, selbst dann nicht nach § 12 Absatz 2 Nummer 8 Buchstabe a UStG ermäßigt zu besteuern sind, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.
Seine Entscheidung hat der BFH u. a. damit begründet, dass die einzelnen Gastronomieleistungen des Bistros wie auch die Zurverfügungstellung der öffentlichen Toilette in erster Linie den Zwecken der Besucher (Verbraucher) und der Nutzer dienen, die nicht vom gemeinnützigen Zweck der Einrichtung des Klägers erfasst werden. Die Finanzverwaltung wendet dieses BFH-Urteil bisher nicht an, auf Grund dessen, dass zum damaligen Zeitpunkt zumindest unklar war, ob die Auffassung des BFH dem Unionsrecht entsprach. Mittlerweile ist unionsrechtlich klargestellt, dass zur Beantwortung der Frage, ob eine nach den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung gemeinnützige Einrichtung mit ihren Leistungen ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht, nicht nur auf den Leistungsempfänger abzustellen ist. Vielmehr ist eine Gesamtschau vorzunehmen, in welche die allgemeine Tätigkeit und die Ziele der Einrichtung als Ganzes – unabhängig vom Empfänger der Dienstleistungen – einzubeziehen sind (vgl. Erwägungsgründen der Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom 5. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze)
Die Neuregelung des Satzes 4 in § 12 Abs. 2 Nummer 8 Buchstabe a UStG stellt nunmehr klar, dass nach dieser Vorschrift begünstigte Leistungen auch dann selbst verwirklicht werden, wenn die von dem jeweiligen gemeinnützigen Zweck erfassten Personen entweder Empfänger der Leistung sind oder, wie z. B. bei Inklusionsbetrieben, bei der Leistungserbringung mitwirken.
Die klarstellenden Änderungen des § 12 Absatz 2 Nummer 8 Buchstabe a UStG sind begrüßenswert. Der Umfang der hierzu vorliegenden BFH-Rechtsprechung zeigt, wie streitbar diese Regelung in der Vergangenheit gewesen ist. Diese Lücke dürfte nunmehr geschlossen werden.
Trotz weiterer punktueller Änderungen, wie die Anpassungen der Beträge für Geschenke oder Betriebsveranstaltungen blieb der große Wurf im Gemeinnützigkeitsrecht aus. Es bleibt abzuwarten, wann die durch den Koalitionsvertrag versprochenen Änderungen kommen. Insbesondere besteht weiterhin Unklarheit hinsichtlich der politischen Betätigung von Gemeinnützigen.
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