VG Frankfurt (Oder) zur Aufhebung einer Bescheinigung für Umsatzsteuerbefreiung kultureller Dienstleistungen

06.02.2025
Gemeinnützigkeit
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Einleitung

Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt (Oder) entschied am 16.7.2024 (Az.: VG 7 K 303/19), dass die durch Bescheid bewirkte rückwirkende Aufhebung einer Bescheinigung als auch die unzureichende Neubescheinigung zur Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Dienstleistungen rechtswidrig war. Das Gericht hob den entsprechenden Bescheid der zuständigen Behörde auf und betonte, dass der Kläger durch unzureichend bestimmte Regelungen im Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde.

Hintergrund

Gemäß § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG sind bestimmte kulturelle Dienstleistungen steuerfrei. Diese Befreiung gilt für öffentliche Einrichtungen wie Theater, Orchester und Museen sowie für gleichartige private Einrichtungen, sofern die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die genannten Einrichtungen erfüllen. Die Bescheinigung dient als verbindlicher Grundlagenbescheid für das nachfolgende Steuerfestsetzungsverfahren und ist für die Finanzbehörden bindend.

Sachverhalt

Der Kläger betreibt seit mehreren Jahren ein kulturelles Veranstaltungszentrum, das regelmäßig Bühnenaufführungen wie politisches Kabarett, Comedy, Kleinkunst und Theater anbietet. Bereits 1998 erhielt er eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass seine kulturellen Veranstaltungen ähnliche Aufgaben wie ein öffentlich-rechtliches Theater erfüllen, wodurch diese insgesamt von der Umsatzsteuer befreit wurden. Im Jahr 2017 veranlasste eine telefonische Anfrage des Finanzamtes bei der zuständigen Landesbehörde eine Überprüfung dieser Bescheinigung. Der Kläger wurde daraufhin von der Landesbehörde aufgefordert, diverse Unterlagen, darunter seine Vereinssatzung und Steuerbescheinigungen, vorzulegen, um die Rechtmäßigkeit der Bescheinigung zu überprüfen. Nach Auswertung der Unterlagen erließ die Landesbehörde im Februar 2019 rückwirkend zum 1. Januar 2018 einen Bescheid über die Aufhebung der ursprünglichen Bescheinigung uas dem Jahr 1998 und bescheinigte, dass nur noch bestimmte Aufführungen mit einer dramaturgisch geschlossenen Handlung, weiterhin als steuerfrei anzusehen seien. Programme mit einem kabarettistischen oder comedyhaften Charakter seien hingegen von der Befreiung ausgeschlossen. Welche konkreten Aufführungen des Klägers indes von der Bescheinigung erfasst werden sollten, ging aus der neuen Bescheinigung nicht hervor.

Entscheidung des Gerichts

Das VG Frankfurt (Oder) entschied, dass der Bescheid aus Februar 2019 rechtswidrig sei, da er inhaltlich zu unbestimmt und ermessensfehlerhaft war. Zwar sei die Überprüfung der ursprünglichen Bescheinigung von 1998 durch die Behörde formell zulässig gewesen, jedoch habe die Landesbehörde in dem streitbefangenen Bescheid aus 2019 nicht klar festgelegt, welche konkreten Programmpunkte bzw. Aufführungen des Klägers steuerbefreit sind und welche nicht. Die abstrakte Unterscheidung zwischen bescheinigungsfähigen Bühnenstücken und ausgenommenen Comedy- oder Kabarett-Programmen sei für den Kläger und die Finanzbehörden nicht ausreichend nachvollziehbar. Dies widerspreche dem Erfordernis der Bestimmtheit eines Verwaltungsakts gemäß § 37 VwVfG.

Das Gericht stellte ferner klar, dass kulturelle Aufführungen wie Kleinkunst und Kabarett nicht pauschal von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden dürften, da auch solche Formate künstlerische und kulturelle Aufgaben erfüllen könnten. Das Fehlen einer präzisen und verbindlichen Aufschlüsselung der bescheinigten und nicht bescheinigten Programme beeinträchtige die Rechtssicherheit des Klägers erheblich und würde Entscheidungen über die Steuerpflicht unzulässig an die Finanzverwaltung delegieren.

Darüber hinaus rügte das Gericht die rückwirkende Aufhebung der Bescheinigung aus dem Jahr 1998. Die Behörde habe die notwendige Ermessensprüfung unterlassen. Schließlich sei bereits die vollumfängliche Erteilung der Bescheinigung aus dem Jahr 1998 rechtsfehlerhaft gewesen. Ist indes der Umfang der Bescheinigungsfähigkeit schon nicht hinreichend bestimmt, ist unklar, in welchem Umfang der anfängliche Bescheid rechtswidrig gewesen sein soll. Eine rückwirkende Änderung kommt somit nicht in Betracht.

Aus diesen Gründen wurde der Bescheid insgesamt aufgehoben, und die ursprüngliche Bescheinigung von 1998 blieb vorerst in Kraft. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten auferlegt.

Ausblick

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) hat wichtige Konsequenzen für kulturelle Einrichtungen, die umsatzsteuerrechtliche Befreiungen in Anspruch nehmen. Es bestätigt, dass Verwaltungsakte zur Steuerbefreiung klare und verbindliche Regelungen enthalten müssen, die sowohl für die Betroffenen als auch für die Finanzbehörden nachvollziehbar sind. Die Entscheidung stärkt zudem den Vertrauensschutz und betont die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung bei der Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte.

Für die Praxis bedeutet dies, dass Kulturträger darauf achten sollten, dass Bescheinigungen zur Steuerbefreiung spezifisch formuliert sind und bei Bedarf eine präzise Zuordnung der bescheinigten Programmpunkte erfolgt, z.B. durch regelmäßig zu aktualisierende Anlagen, in der die einzelnen begünstigten Programmpunkte aufgeführt werden. Es muss klar erkennbar sein, welche kulturellen Veranstaltungen von der Umsatzsteuer befreit sind und welche nicht, nur so kann eine Planungssicherheit für private Veranstalter gewährleistet werden. Falls Sie Fragen zu vergleichbaren Steuerbefreiungen oder Bescheinigungsverfahren haben, wenden Sie sich gern an uns.

Bildnachweis:Caiaimage/Robert Daly/Stock-Fotografie-ID:476806559

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