Bei Leistungen im Zusammenhang mit Betreutem Wohnen, die über die Vermietung hinaus gehen, stellt sich die Frage, ob diese umsatzsteuerpflichtig sind. Unter bestimmten Voraussetzungen kommt eine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht. Im Urteil vom 25.1.2022 hat das Finanzgericht Münster die Voraussetzungen hierfür näher definiert (Hilfsbedürftigkeit und die Art der Leistung).
Im vorliegenden Falle erbrachte eine Seniorenresidenz, bestehend aus einem Pflegeheim und Wohnungen des betreuten Wohnens, an die Bewohner des betreuten Wohnens unterschiedliche Leistungen im Rahmen einer Grundversorgung, einer erweiterten Grundversorgung und Wahlleistungen einschließlich eines Hausnotrufsystems. Pflegebedürftigkeit in Form einer Pflegestufe lag nicht für alle Bewohner vor.
Die Seniorenresidenz erklärte bestimmte Leistungen als umsatzsteuerfrei und bezog sich hierbei auf die Steuerbefreiung für Leistungen, die eng mit der Betreuung und Pflege hilfsbedürftige Personen verbunden sind. Darüber hinaus erklärte sie Wahlleistungen, die nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung fallen (z.B. für den Telefonanschluss). Das Finanzamt setzte hingegen Umsatzsteuer für alle über die Vermietung hinausgehenden Leistungen des Betreuten Wohnens fest.
Für die Steuerfreiheit kommt es nach § 4 Nr. 16 UStG auf den Empfänger der Leistung, die Art der Leistung und das leistende Unternehmen an. Der Empfänger der Leistung muss hilfsbedürftig sein. Hilfsbedürftigkeit erfordert aus Sicht des Gerichts einen Grundpflegebedarf bzw. Bedarf an Haushaltshilfe, eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz oder altersbedingte Schwierigkeiten. Die Feststellung einer Pflegestufe bedarf es hingegen nicht. Die Voraussetzung für die Hilfsbedürftigkeit sei für alle Bewohner aufgrund der bezogenen Leistungen und der altersbedingten Einschränkungen der Alltagskompetenz erfüllt.
Der Art nach muss es sich um Leistungen handeln, die eng mit der Betreuung oder Pflege hilfsbedürftiger Personen verbunden sind. Das in Betracht kommende Leistungsspektrum der Seniorenresidenz umfasst ambulante Pflegeleistungen, Beratungsangebote, Notrufdienst und die kurzfristige Übernahme pflegerischer Leistungen, die hauswirtschaftliche Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und das Waschen der Kleidung. Nach Ansicht des Gerichts sind alle diese Leistungen eng mit der Betreuung oder Pflege hilfsbedürftiger Personen verbunden. Soweit die Leistungen auch der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienten, seien diese spezifisch auf die Behebung altersspezifischer Einschränkungen gerichtet, weil auch diese Leistungen durch das im Pflegeheim eingesetzte und hierfür geschulte Personal erbracht würden. Das leistende Unternehmen muss eine anerkannte Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG sein. Hierfür ist erforderlich, dass mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung vergütet werden. Dies war aus Sicht des Gerichts unzweifelhaft erfüllt.
In der Praxis ist die umsatzsteuerliche Einordnung von Leistungen im Rahmen des Betreuten Wohnens häufiger Streitpunkt mit dem Finanzamt. In aller Regel sind die erbrachten Leistungen in umsatzsteuerfreie eng mit der Betreuung oder Pflege zusammenhängende Leistungen und umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen aufzuteilen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie hierbei unterstützen können.
FG Münster (15. Senat), Urteil vom 25.01.2022 – 15 K 3554/18 U