Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen: BMF konkretisiert neue Regelungen des § 4 Nr. 21 UStG

26.11.2025
Gemeinnützigkeit
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Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde zum 1. Januar 2025 die Vorschrift des § 4 Nr. 21 UStG zur Befreiung von Schul- und Bildungsleistungen grundlegend reformiert, um sie unionsrechtskonform an Art. 132 Abs. 1 Buchstabe i und j der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) anzupassen.

Da die bisherige Praxis erhebliche Rechtsunsicherheiten aufwies (insbesondere bei Onlineunterricht, Fernunterricht, Privatlehrern und der Abgrenzung des unmittelbaren Bildungszwecks), war eine Neufassung und Konkretisierung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) erforderlich. Das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2025 stellt diese überarbeitete Verwaltungsanweisung dar.

Wichtig: Die neuen Regelungen gelten grundsätzlich für Umsätze ab dem 1. Januar 2025. Zugleich wurde eine großzügige Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2027 eingeführt.

Wesentliche Inhalte des BMF-Schreibens

Erweiterung des Kreises begünstigter Einrichtungen

Nach § 4 Nr. 21 UStG – und nun auch im UStAE – werden als begünstigte Leistungserbringer ausdrücklich genannt:

  • Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Aufgaben des Schulunterrichts, Hochschulunterrichts, der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung betraut sind.

  • Private Träger von Bildungseinrichtungen, sofern sie über eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügen und die weiteren Voraussetzungen erfüllen.

Damit wird der Anwendungsbereich der Befreiung nicht mehr auf rein private Bildungseinrichtungen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf öffentlich-rechtliche Träger mit entsprechenden Bildungsaufgaben.

Konkretisierung des Leistungsumfangs

Der begünstigte Leistungsumfang wird im Schreiben klarer definiert:

  • "Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung“ gelten als begünstigte Bildungsleistungen.

  • Schul- und Hochschulunterricht, der von „Privatlehrern“ erteilt wird, wird separat geregelt (§ 4 Nr. 21 Satz 1 Buchst. c UStG in der Neufassung).

 „Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen“

Ein zentrales Kriterium ist die Unmittelbarkeit: Die Leistung muss dem Schul- oder Bildungszweck unmittelbar dienen. Im neuen UStAE wird präzisiert: "Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen die Leistungen, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken." Dabei ist unerheblich, wem gegenüber sich der Unternehmer zivilrechtlich zur Ausführung verpflichtet hat. Auf die Ziele der Personen, welche die Leistungen in Anspruch nehmen, kommt es nicht an. Entscheidend sind vielmehr die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung.

Besonderheiten ergeben sich bei digitalen bzw. hybriden Formaten: Bildungsleistungen können auch parallel zu bzw. anstelle einer "Vor-Ort"-Veranstaltung als interaktiver Live-Stream angeboten werden. Aufzeichnungen des Unterrichts im Nachgang ohne gesondertes Entgelt stellen grundsätzlich eine Nebenleistung zur Bildungsleistung dar. Dagegen sind bloße Streaming-Angebote aufgezeichneten Unterrichts oder automatisierte Online-Übungen von der Steuerbefreiung ausgeschlossen. Lehrgänge und Streaming-Angebote, die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen sind, gelten hingegen explizit als Bildungsleistungen. Ein gesondertes BMF-Schreiben befasst sich zudem mit der umsatzsteuerlichen Einordnung von Onlineveranstaltungen.

Unter Schul- und Hochschulunterricht ist solcher Unterricht zu fassen, der als Teil eines integrierten Systems für die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen anzusehen ist. Spezialisierter, punktueller Unterricht wie Fahrschulunterricht für die Führerscheinklassen B und C1, Schwimm- oder Kampfsportunterricht ist hingegen explizit ausgeschlossen.

Im berufsbildenden Bereich (Ausbildung, Fortbildung, berufliche Umschulung) wird entsprechend des Art. 44 Satz 1 MwStVO in Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf (Alternative 1) und Schulungsmaßnahmen die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen (Alternative 2) unterschieden. Für Schulungsmaßnahmen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen (Alternative 2) besteht weder ein Unmittelbarkeitserfordernis noch ist ein direkter Gewerbe- oder Berufsbezug (wie bei Alternative 1) erforderlich.

Eng verbundene Leistungen

Der Anwendungserlass konkretisiert die Voraussetzungen für "eng verbundene Umsätze", d.h. eigenständige Leistungen, die zur Ausübung der Bildungsleistung unerlässlich sind und von derselben begünstigten Einrichtung erbracht werden. Beispiele sind die Zurverfügungstellung von Lehr-, Lern- und Verbrauchsmaterial oder die Gestellung von Lehrkräften an andere Bildungseinrichtungen.

Ausgeschlossen bleiben Leistungen, die im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen gewerblichen Unternehmen stehen. So gehören die entgeltliche Forschungstätigkeit einer staatlichen Hochschule oder die Abgabe von Speisen und Getränke sowie die Unterbringung von Teilnehmern nicht zu den eng verbundenen Umsätzen. 

Bescheinigungsverfahren

Auch das Verfahren zur Bescheinigung wurde neu ausgestaltet:

  • Einrichtungen des öffentlichen Rechts sowie Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen benötigen nach wie vor eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, aus der sich ergibt, dass die bescheinigte Leistung Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung darstellt.

  • Für bereits vor dem 1. Januar 2025 ausgestellte Bescheinigungen gilt: Diese werden bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit oder Widerruf weiterhin anerkannt, soweit es keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen in den Kursen gibt.

  • Die Möglichkeit der Finanzbehörden, von Amts wegen eine Bescheinigung bei der Landesbehörde anzufordern, wurde modifiziert: Nach der neuen Fassung obliegt es der Finanzbehörde, bei begründeter Annahme des Vorliegens einer begünstigten Bildungsleistung eine Prüfung der Voraussetzungen bei der zuständigen Landesbehörde anzuregen und um Erteilung einer Bescheinigung zu bitten. Inwieweit die Finanzverwaltung von dieser Regelung Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.

Übergangsregelung

Eine wichtige Entlastung stellt die Übergangsregelung dar: Für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2028 ausgeführt werden, wird es nicht beanstandet, wenn Unternehmer ihre Leistungen weiterhin entsprechend der bisherigen Praxis (nach der Fassung des UStAE bis 31. Dezember 2024) als umsatzsteuerpflichtig bzw. umsatzsteuerfrei behandeln.

Das gibt Bildungseinrichtungen und Dienstleistern mehr Zeit zur Umstellung.

Einordnung der Neuregelungen

Das neue BMF-Schreiben bringt mehr Rechtssicherheit, aber auch neue Komplexität mit sich. Die Neuregelung entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben und klärt zahlreiche bislang offene Fragen – etwa zur Einordnung beruflicher Fortbildung oder zur Behandlung von Privatlehrern. Gleichzeitig zeigt sich, dass die praktische Umsetzung anspruchsvoller wird, da die Verwaltung deutlich strengere Abgrenzungskriterien entwickelt hat.

Die neue Systematik schafft zunächst mehr Transparenz: Der Kreis der begünstigten Einrichtungen wurde erweitert, der Katalog steuerfreier Bildungsleistungen stärker an der EU-Richtlinie orientiert und der Begriff des unmittelbaren Bildungszwecks konkretisiert. Dies erleichtert die rechtliche Einordnung, insbesondere für Berufsbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsträger.

Dennoch bleiben Abgrenzungsfragen bestehen, die weiterhin einer sorgfältigen Einzelfallprüfung bedürfen. Die detaillierten Abgrenzungen im UStAE signalisieren, dass die Finanzverwaltung künftig genauer prüfen wird.

Die Verwaltung stellt höhere Anforderungen an die Dokumentation: Bildungsanbieter müssen künftig nicht nur die Inhalte dokumentieren, sondern auch die Bildungseignung, die didaktische Ausrichtung, den Kurszweck, die Qualifikation des eingesetzten Lehrpersonals und die organisatorische Einordnung nachweisen. Diese erhöhte Dokumentationslast wird viele Einrichtungen spürbar betreffen.

Besonders kritisch ist die Einordnung digitaler Bildungsangebote: Viele moderne Geschäftsmodelle bewegen sich in diesem Grenzbereich zwischen steuerfreien Bildungsleistungen und steuerpflichtigen digitalen Dienstleistungen. Anbieter digitaler Bildungsprodukte sollten ihre Leistungen daher dringend überprüfen.

Die Nichtbeanstandungsregelung bis Ende 2027 verschafft wertvolle Zeit für die Umstellung, ist jedoch nicht als Aufschub gedacht. Bildungsträger sollten die Übergangszeit aktiv nutzen, um ihre Prozesse, Verträge, Rechnungsstellung und Dokumentationspflichten an die neuen Anforderungen anzupassen.

Unsere Expertinnen und Experten bei SCHOMERUS beraten Sie gerne dabei, Ihr Leistungsportfolio entsprechend einzuordnen, geeignete Maßnahmen zur Umsetzung zu planen und Ihre internen Prozesse steuerlich sicher auszurichten. Kommen Sie gerne jederzeit auf uns zu.

Quelle: Umsatzsteuerbefreiung für unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen; Anpassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses zu § 4 Nr. 21 UStG aufgrund der Änderung im Jahressteuergesetz 2024 zum 1. Januar 2025

Bildnachweis:Ridofranz/Stock-Fotografie-ID:1213470247

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