Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Nicht nur rechtswidrig, sondern auch kostspielig

12.09.2025
Arbeitsrecht
3 Minuten

Was passieren kann, wenn ein Geschäftsführer seine Machtposition missbraucht und seine Assistentin sexuell belästigt, beleidigt sowie anschließend auch noch kündigt, zeigt das Landesarbeitsgericht Köln in einem aktuellen Urteil (4 SLa 97/25 vom 09.07.2025): 

Die Kündigung war unwirksam. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war der betroffenen Arbeitnehmerin jedoch nicht zuzumuten. 

Die Folge: Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Arbeitnehmerin und eine Abfindung von über 68.000 Euro. 

Hintergrund: Der Fall vor dem LAG Köln 

Eine 32-jährige Arbeitnehmerin war seit 2019 als Assistentin der Geschäftsführung zu einem monatlichen Gehalt in Höhe von 7.744,75 Euro tätig. Der Geschäftsführer ihres Arbeitgebers überhäufte sie über Wochen hinweg mit sexistischen, extrem beleidigenden und demütigenden WhatsApp-Nachrichten. Folgendes ist lediglich ein kleiner Auszug der Nachrichten: 

  • „Gasaaaaaaanz wichtig. Nichts unter dem Rock anziehen“ 

  • „Du lernst es nie (Messerabbildung) Das heißt, Ja gerne mein Schatz. Oder Kann es kaum abwarten meinen Traum(Alp) Mann zu sehen.“ 

  • „Wag es dich zu kommen und du lernst mich kennen. Nach deinem scheiß Urlaub machst du Home Office!!!!!! Anscheinend ist an der Bewertung was dran. Komme mir so doof vor. Besser doof als dumm. Du weißt mich gar nicht zu schätzen, was ich versuche dir beizubringen. Bist halt eine dumme Frau. Keine Klasse, Kein Anstand, einfach ein Bauern-Mädchen. Du hast im Leben nichts verstanden. Nichts!!!!!! Es geht nicht nur um Mini Madam“ 

Nach der Ablehnung eines vom Geschäftsführer vorgeschlagenen privaten Treffens eskalierte die Kommunikation weiter. Schließlich kündigte der Geschäftsführer das Arbeitsverhältnis. 

Die Arbeitnehmerin klagte erfolgreich gegen die Kündigung und beantragte zugleich – aufgrund der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. 

Das Urteil: Auflösung und Abfindung wegen Unzumutbarkeit 

Das LAG Köln bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn: 

  • Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der ordentlichen fristgerechten Kündigung auf Antrag der Arbeitnehmerin gemäß § 9 KSchG. 

  • Abfindung in Höhe von 68.153,80 Euro brutto: Zwei Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. 

  • Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis gemäß § 109 GewO. 

Die Begründung des Gerichts (vereinfacht): 

Die Kündigung war unwirksam – es lagen keinerlei Pflichtverletzungen seitens der Arbeitnehmerin (und damit kein Kündigungsgrund) vor. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war für die Arbeitnehmerin jedoch aufgrund der Vielzahl und Schwere der Beleidigungen und sexuellen Belästigungen seitens des Geschäftsführers unzumutbar. 

Die Höhe der Abfindung (2 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr) berücksichtigt nicht nur die offensichtliche Sozialwidrigkeit der Kündigung, sondern auch die psychischen Belastungen und die Genugtuungsfunktion bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. 

Einordnung der Entscheidung: 

Sowohl die Entscheidung des LAG Köln als auch bereits die erstinstanzliche Entscheidung sind konsequent und zeigen, dass – je nach den Umständen des Einzelfalls – nicht nur ein Arbeitsverhältnis durch das Gericht aufgelöst werden kann (was selten geschieht), sondern insbesondere bei der für solche Fälle festzusetzenden Abfindung auch starke Abweichungen nach oben möglich sind. 

Regelmäßig setzen Arbeitsgerichte die Abfindung auf ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr fest. In dem hier vorliegenden Fall beträgt die Abfindungssumme das Vierfache – wer die Entscheidungsgründe inkl. der dort aufgeführten WhatsApp-Nachrichten im Wortlaut liest, wird verstehen warum. 

Auswirkung der Entscheidung: 

Führungskräfte (insb. Geschäftsführer) handeln für das Unternehmen – ihr Fehlverhalten kann zu gravierenden finanziellen und reputativen Schäden führen. Auch wenn veröffentlichte Entscheidungen anonymisiert werden, spricht sich bereits aufgrund des Umstands, dass Verfahren bei den Arbeitsgerichten öffentlich sind, schnell herum, um welches Unternehmen (und damit in nicht wenigen Fällen, um welche Personen) es sich gehandelt hat. 

Die Entscheidung führt zudem nochmal eindrucksvoll vor Augen, dass sexuelle Belästigung keine Lappalie, sondern ein gravierender arbeitsrechtlicher (ggf. zudem strafrechtlicher) Verstoß mit weitreichenden Konsequenzen ist. So führt das Arbeitsgericht in erster Instanz noch klarstellend aus: 

„Das Verhalten des Geschäftsführers B. geht nach Auffassung der Kammer weit über das hinaus, was nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die Annahme der Unzumutbarkeit erforderlich ist. Es erfüllt vielmehr ohne weiteres die Anforderungen eines wichtigen Grundes iSd. § 626 BGB.“ 

Wir begleiten Sie bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen 

Das Arbeitsrecht ist komplex und birgt etliche Fallstricke. Die Entscheidung des LAG Köln zeigt auf eine besonders eindrucksvolle Weise, wie relevant das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist. Der korrekte Umgang mit persönlichen Konflikten gehört – neben der rein rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts – zu den unabdingbaren Aspekten, wenn es um eine etwaige Trennung von Mitarbeitern geht. Unser erfahrenes Team von Arbeitsrechtsexperten steht Ihnen bei Fragen hierzu sowie zu allen sonstigen Belangen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts gern zur Seite. 

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Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Gern besprechen wir Ihren speziellen Fall und finden eine maßgeschneiderte Lösung. 

Bildnachweis:Georgijevic/Stock-Fotografie-ID:1445186465

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