Das Landesarbeitsgericht Sachsen (LAG) hat mit Beschluss vom 12.03.2024 (Az. 1 Ta 17/24) entschieden, dass der besondere Vertreter eines Vereins im Sinne des § 30 BGB, der als Geschäftsführer des Vereins tätig ist, als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sein kann. Für die Abgrenzung zur Arbeitgeberähnlichkeit kommt es maßgeblich auf den Umfang der ihm übertragenen Geschäfte an.
Der besondere Vertreter im Sinne von § 30 BGB (oftmals als Geschäftsführer bezeichnet) ist ein mit organschaftlicher vertretungsmacht ausgestatteter Repräsentant des Vereins. Die Möglichkeit seiner Bestellung muss in der Satzung vorgeschrieben sein, ebenso, wie der Umfang der ihm übertragenen Aufgaben. Im Verhältnis zum Vorstand wird der besondere Vertreter als nachrangig zu betrachten sein und unterliegt darüber hinaus regelmäßig der Weisung des Vorstands. Die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters kann im Innenverhältnis beschränkt werden.
Die Beschwerdeführerin war bei dem beklagten Verein aufgrund eines Geschäftsführervertrags vom 25.07.2019 mit 40 Stunden/Woche und einem Bruttogehalt von 3.800 Euro monatlich beschäftigt. Die Geschäftsführung wird in § 2 der Satzung eingeschränkt. Mit Schreiben vom 11.12.2019 bestellte der Vorstand des Beklagten die Beschwerdeführerin als besonderen Vertreterin im Sinne des § 30 BGB.
2023 beantrage die Beschwerdeführerin nach der Geburt ihrer Tochter Elternzeit. Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten brachte hiergegen hervor, dass ihr aufgrund der Stellung als Geschäftsführerin kein Anspruch auf Elternzeit zustünde. Einige Tage später kündigte der beklagte Verein den Geschäftsführervertrag und widerrief die Bestellung als besondere Vertreterin. Aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung als besondere Vertreterin gelte nach Ansicht des Beklagten die Beschwerdeführerin nicht als Arbeitnehmerin.
Die Beschwerdeführerin legte daraufhin ausdrücklich ihr Amt am 15.01.2024 nieder. Sie begehrt nun auf dem Beschwerdeweg die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht wirksam gekündigt wurde oder zumindest über den 30.11.2023 hinaus fortbesteht und dass sie wirksam für den Zeitraum vom 30.11.2023 bis zum 24.08.2024 Elternzeit in Anspruch nehmen könne. Zu Recht, wie das LAG nun entschied.
Das BAG definiert arbeitnehmerähnliche Personen als Selbstständige, die kraft der Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG als Arbeitnehmer gelten. Sie unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer gänzlich fehlenden oder gering ausgeprägten Weisungsgebundenheit sowie oft auch wegen fehlender oder geringer Eingliederung in die betriebliche Organisation in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig als Arbeitnehmer. Stattdessen sind sie jedoch wirtschaftlich abhängig. Darüber hinaus müsse die wirtschaftlich abhängige Person auch aufgrund einer sozialtypischen Einzelfallbetrachtung einem tatsächlichen Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei die Beschwerdeführerin vom Beklagten wirtschaftlich abhängig; sie sei auf die Tätigkeit bei dem Verein angewiesen, um ihre Existenz zu sichern, mithin war dies aufgrund der übernommenen Stundenzahl ihre Hauptbeschäftigung. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin auch sozialtypisch mit einer Arbeitnehmerin vergleichbar. Die Vertretungsbefugnisse eines besonderen Vertreters nach § 30 BGB beziehen sich - anders als beim Geschäftsführer einer GmbH - nicht auf die Vertretung der juristischen Person schlechthin. Das Gesetz gehe davon aus, dass neben dem Vereinsvorstand „für gewisse Geschäfte“ besondere Vertreter bestellt werden können. Die Funktion ist folglich nicht arbeitgeberähnlich, sondern auf bestimmte, im Einzelfall zugewiesene Geschäftskreise beschränkt.
Die Vertretungsbefugnisse aus dem konkret bestrittenen Geschäftsführervertrag seien infolge der Satzung vorliegend erheblich eingeschränkt. So sei die Beschwerdeführerin nur befugt gewesen einzelne Geschäfte bis zu einem Wert von € 10.000 und Arbeitsverhältnisse bis € 2.000 brutto/Monat abzuschließen. Die Stellung der Beschwerdeführerin als Organ des Beklagten unterscheide sich mit Blick auf die Beschränkung der Vertretungsmacht sozialtypisch nicht wesentlich von leitenden Arbeitnehmern eines Unternehmens. So sei aufgrund der Umstände des Einzelfalls anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin hier als arbeitnehmerähnliche Beschäftigte anzusehen sei.
Ein besonderer Vertreter nach § 30 BGB kann mit seinem Wirkungskreis in das Vereinsregister eingetragen werden. Dabei kann sich der Wirkungskreis auf die laufenden Geschäfte bzw. laufenden Angelegenheiten beziehen. Die Frage, ob ein besonderer Vertreter als arbeitnehmerähnlich und damit auch Kündigungsschutz genießt, muss aufgrund der aktuellen Rechtsprechung einer Einzelfallbewertung unterzogen werden. Hierbei kommt es maßgeblich auf den Umfang der übernommenen Aufgaben an.
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