Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 18.10.2023 (Az.: XI R 4/20), veröffentlicht am 29.02.2024, entschieden, dass die Lieferung von herrenlosen Tieren durch gemeinnützige Vereine regelmäßig dem ermäßigten Umsatzsteuersatz für Zweckbetriebe nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegt.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen Umsätze von Zweckbetrieben (§§ 65-68 AO) gemeinnütziger Körperschaften dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %, sofern diese Leistungen nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dienen und nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden.
Der Kläger war ein gemeinnütziger Tierschutzverein, der Tiere aus dem EU-Ausland zu Interessenten in Deutschland verbrachte. Die Interessenten zahlten für diese Leistung eine “Schutzgebühr” von regelmäßig rund € 300. Im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärungen meldete der Kläger die Einnahmen aus solchen “Schutzgebühren” als Umsätze aus einem Zweckbetrieb mit dem ermäßigten Steuersatz an. Das Finanzamt vertrat im Wege der Außenprüfung den Standpunkt, dass die Umsätze – aufgrund des Wettbewerbs zu gewerblichen Tierhändlern – im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs angefallen sind und daher dem regulären Steuersatz unterliegen würden. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Zu Recht, wie der BFH nun entschied.
Der 11. Senat stellt zunächst klar, dass der Kläger die Tiere, die gemäß § 90a BGB wie Sachen behandelt werden, an die neuen Halter unter Verschaffung der Verfügungsmacht geliefert habe und hierfür ein Entgelt in Form der “Schutzgebühren” erhalten habe. Es liege grade keine Vermittlungsleistung vor, da der Kläger nicht zwischen zwei Vertragsparteien vermittelt habe. Vielmehr seien die Tiere herrenlos gewesen, sodass schon dem Grundsatz nach keine Vermittlungsleistung vorliegen könne.
Nach Auffassung des Gerichts unterhalte der Kläger zwar einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO, dieser sei jedoch als Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO ausgestaltet. Es sei – unter Annahme der übrigen Voraussetzungen des § 65 AO - dabei vorliegend insbesondere zu prüfen gewesen, ob durch die Tätigkeit die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung gemäß § 65 Abs. 3 AO entstünde.
Der Senat subsumiert hier eindeutig, dass er von einer solchen Wettbewerbsverzerrung nicht ausgehe. Ein Wettbewerb müsse zu gewerblichen Tierhändlern geprüft werden. Dabei verkenne das Finanzamt, dass gewerbliche Tierhändler nicht mit herrenlosen Tieren, ohne verlässliche Herkunft und Zuchtlinie handeln würden, sondern vielmehr insbesondere mit (reinrassigen) Jungtieren, deren artgerechte Aufzucht lückenlos nachverfolgt werden könne. Daher würden die Tiere bei gewerblichen Tierhändler auch im Vergleich zu wesentlich höheren Preisen angeboten.
Somit seien die Tiere (und damit die Liefergegenstände) zwischen den Vergleichsgruppen schon nicht gleichartig, sodass ein unterschiedler Steuersatz für vereinnahmte Entgelte gerechtfertigt sei. Die Voraussetzungen des § 65 AO seien insgesamt erfüllt. Im Ergebnis seien also die vereinnahmten Entgelte des Klägers aufgrund der Leistungen innerhalb eines Zweckbetriebs gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu unterwerfen. Das Gericht stellt klar, dass der § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG auf alle Zweckbetriebe im Sinne der §§ 65-68 AO anzuwenden sei.
Insgesamt erscheint die Entscheidung richtig, so möchte der Gesetzgeber Ermäßigungen auch im Rahmen der Umsatzsteuer für gemeinnützigkeitsrechtliches Handeln gewährleisten. Hier prüft das Gericht – entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung – die Wettbewerbsklausel innerhalb des § 65 Abs. 3 AO und nicht noch zusätzlich im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Der Gesetzgeber hat bislang erfolglos im Wachstumchancengesetz, welches derzeit noch im Bundesrat steckt versucht, das UStG dahingehend abzuändern, dass die Wettbewerbsprüfung für Zweckbetriebe des § 65 AO nicht auch noch zusätzlich im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes vorgenommen werden muss.
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