Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) entschieden, dass ein hochpreisiges „Business-Mentoring-Programm“ mit regelmäßigen Online-Meetings, Video-Lektionen und individueller Begleitung als Fernunterricht im Sinne des § 1 I FernUSG zu qualifizieren ist, wenn überwiegend asynchrone Unterrichtsanteile vorliegen und eine Überwachung des Lernerfolgs vorgesehen ist; der persönliche Anwendungsbereich des FernUSG erfasst dabei auch Unternehmer (§ 14 BGB), sodass bei fehlender Zulassung nach § 12 I FernUSG der Vertrag gemäß § 7 I FernUSG nichtig ist und geleistete Vergütung nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB zurückzuzahlen ist
Die Entscheidung des BGH befasst sich mit der rechtlichen Einordnung von Coaching- und Mentoring-Programmen im Lichte des Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (FernUSG). Nach § 1 Abs. 1 FernUSG gilt als Fernunterricht jedes entgeltliche, auf einen längeren Zeitraum angelegte Lehrverhältnis, das auf vertraglicher Grundlage erfolgt, bei dem Lehrender und Lernender räumlich getrennt sind und bei dem der Lernerfolg überwacht wird. Der Zweck des Gesetzes besteht darin, Teilnehmer vor nicht zugelassenen oder qualitativ unzureichenden Bildungsangeboten zu schützen.
§ 7 Abs. 1 FernUSG ordnet die Nichtigkeit von Verträgen über nicht zugelassene Fernlehrgänge an. Nach § 12 Abs. 1 FernUSG ist für die Durchführung solcher Lehrgänge eine staatliche Zulassung erforderlich, deren Zweck die Sicherung von Seriosität, fachlicher Qualität und pädagogischer Eignung der Anbieter ist.
In diesem Fall war zu prüfen, ob ein hochpreisiges Business-Mentoring-Programm mit Video-Lektionen, Gruppencalls und individueller Begleitung die tatbestandlichen Voraussetzungen des Fernunterrichts im Sinne des FernUSG erfüllt und welche Rechtsfolgen sich bei fehlender Zulassung ergeben.
Die Beklagte bot ein hochpreisiges „Business-Mentoring-Programm“ an, das sich an Unternehmer und Selbständige richtete. Bestandteil des Programms waren vorproduzierte Video-Lektionen, wöchentliche Gruppen-Calls sowie ergänzende individuelle Begleitung in Form von Coaching-Sitzungen. Die Teilnahme wurde über einen entgeltlichen Vertrag vereinbart, dessen Kosten sich auf einen erheblichen fünfstelligen Betrag beliefen.
Der Kläger, ein Unternehmer, schloss einen solchen Vertrag ab und entrichtete die vereinbarte Vergütung. Nach kurzer Zeit widerrief er seine Teilnahme und berief sich auf die Nichtigkeit des Vertrags, da es sich um einen nicht zugelassenen Fernunterrichtsvertrag im Sinne des FernUSG handele. Er verlangte Rückzahlung der geleisteten Beträge gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Die Beklagte wandte ein, dass es sich nicht um Fernunterricht, sondern um eine individuelle Unternehmensberatung mit praxisnaher Begleitung handele, die den Charakter einer Coaching-Dienstleistung habe. Sie argumentierte, dass das Programm keine systematische Lernerfolgskontrolle beinhalte und daher nicht den Anwendungsbereich des FernUSG eröffne. Zudem sei der Kläger als Unternehmer nicht schutzwürdig, da das Gesetz primär auf Verbraucher zugeschnitten sei. Hilfsweise machte die Beklagte geltend, der Kläger habe jedenfalls Wertersatz für die erhaltenen Leistungen zu leisten.
Das Landgericht folgte der Argumentation des Klägers und erklärte den Vertrag wegen fehlender Zulassung nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 FernUSG für nichtig. Die Beklagte legte Berufung ein, die jedoch ebenfalls keinen Erfolg hatte. Daraufhin verfolgte sie ihr Begehren mit der Revision vor dem Bundesgerichtshof weiter.
Der BGH wies die Revision der Beklagten zurück und bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen. Er stellte klar, dass das in Rede stehende Business-Mentoring-Programm als Fernunterricht im Sinne von § 1 Abs. 1 FernUSG zu qualifizieren sei. Maßgeblich hierfür sei die Kombination von überwiegend asynchron vermittelten Lehrinhalten in Form von Video-Lektionen und einer auf kontinuierlichen Lernerfolgskontrollen beruhenden Begleitung durch Gruppen-Calls und individuelle Coachings. Entscheidend sei nicht die Bezeichnung durch die Parteien, sondern die objektive Ausgestaltung der Leistung.
Nach Ansicht des Senats liegt eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden bereits dann vor, wenn wesentliche Teile der Wissensvermittlung über digitale Medien erfolgen. Der Umstand, dass ergänzende Live-Sitzungen oder persönliche Kontakte stattfinden, nimmt dem Programm nicht den Charakter eines Fernunterrichts, solange der Kern auf asynchron vermitteltem Material und dessen Nachbearbeitung beruht. Auch die Tatsache, dass der Kläger Unternehmer ist, ändert nichts an der Anwendbarkeit des FernUSG. Der Schutzzweck der Norm – die Sicherung von Qualität, Seriosität und Transparenz bei entgeltlichen Bildungsangeboten – rechtfertige eine Anwendung unabhängig von der Verbrauchereigenschaft.
Mangels staatlicher Zulassung nach § 12 Abs. 1 FernUSG sei der Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Der Kläger könne daher die gezahlte Vergütung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückfordern. Der Einwand der Beklagten, es bestehe ein Anspruch auf Wertersatz, scheiterte, weil sie weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen hatte, dass der Kläger durch die in Anspruch genommenen Leistungen einen objektiven Vermögensvorteil erlangt habe. Die bloße Behauptung, es seien ihm „wertvolle Erkenntnisse“ vermittelt worden, genüge hierfür nicht.
Damit bestätigte der BGH, dass Verträge über nicht zugelassene Fernunterrichtsprogramme unabhängig vom Status des Teilnehmers nichtig sind und Rückabwicklungsansprüche bestehen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht in grundsätzlicher Weise die Reichweite des Fernunterrichtsschutzgesetzes. Sie macht klar, dass der Gesetzgeber nicht allein Verbraucher im Blick hatte, sondern auch Unternehmer vor unseriösen oder qualitativ unzureichenden Bildungsangeboten schützen will. Damit wird eine bislang in Literatur und Praxis umstrittene Frage entschieden: Das FernUSG gilt unabhängig von der Rechtsstellung des Vertragspartners als Verbraucher oder Unternehmer.
Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung des Gerichts, dass der Charakter eines Programms nicht durch die Bezeichnung als „Coaching“ oder „Mentoring“ bestimmt wird, sondern durch seine tatsächliche Ausgestaltung. Sobald die Vermittlung von Lehrinhalten in erheblichem Umfang asynchron und unter Überwachung des Lernerfolgs erfolgt, liegt Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG vor. Das Gericht schließt damit Umgehungskonstruktionen aus, die durch den bloßen Zusatz von Live-Elementen oder individueller Beratung den zwingenden Vorschriften des FernUSG entgehen wollen.
Für Anbieter solcher Programme hat die Entscheidung weitreichende Konsequenzen. Sie sind verpflichtet, eine staatliche Zulassung nach § 12 Abs. 1 FernUSG einzuholen, bevor sie ihre Angebote entgeltlich vertreiben. Unterbleibt dies, sind die geschlossenen Verträge nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig und müssen vollständig rückabgewickelt werden. Auch der Versuch, im Wege des Wertersatzes Leistungen zu sichern, wird regelmäßig an der strengen Darlegungslast scheitern.
Für Teilnehmer eröffnet das Urteil die Möglichkeit, auch hochpreisige Programme rückabzuwickeln, wenn die Zulassung fehlt. Gerade in einem Markt, der von starkem Marketingdruck und erheblichen finanziellen Belastungen geprägt ist, stärkt die Entscheidung die Position der Kunden erheblich. Zugleich dürfte sie dazu beitragen, dass Anbieter ihre Geschäftsmodelle an den Vorgaben des FernUSG ausrichten und eine Zulassung anstreben müssen, um rechtliche Sicherheit zu gewinnen.
Falls Sie ähnliche Fragestellungen oder weitere Informationen zur rechtlichen Einordnung von Online-Programmen benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.
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