Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 22.01.2025 (Az. XI R 9/22) entschieden, dass Umsätze aus Reitunterricht grundsätzlich dem Bereich der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind und daher regelmäßig nicht der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unterliegen. Allerdings können Reitkurse steuerfrei sein, wenn sie in ausreichendem Maße auf eine Berufsausbildung oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten.
Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG a. F. (bis 2025) sind Unterrichtsleistungen privater Schulen und anderer allgemein- oder berufsbildender Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie ordnungsgemäß auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten. Die Norm basiert unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, wonach die Ausbildung, Fortbildung sowie berufliche Umschulung unter bestimmten Voraussetzungen von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Nach § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG a. F. (bis 2020) war die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen steuerfrei, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke oder für Zwecke der Säuglingspflege bei sich aufnehmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt werden.
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin eines Unternehmers, der über eine GmbH einen Reiterhof betrieb. In den Streitjahren 2007 bis 2011 führte die GmbH verschiedene Reitkurse für Kinder und Jugendliche durch und erbrachte daneben Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen. Im Rahmen der sogenannten Ponygruppe wurden grundlegende Kenntnisse im Umgang mit Ponys vermittelt, begleitet durch theoretischen und praktischen Unterricht sowie sozialpädagogische Betreuung. Etwa 30 % bis 40 % der Teilnehmer absolvierten am Ende der Kurse Prüfungen für ein Motivationsabzeichen.
Daneben bot die GmbH die sogenannte “Große Pferdegruppe” an, deren Schwerpunkt auf der Vorbereitung und Abnahme von Leistungsabzeichen lag, die für den Einstieg in den Turniersport oder die spätere Ausbildung zum Pferdefachwirt erforderlich waren. An den Prüfungen nahmen 60 % bis 70 % der Teilnehmer teil. Für diesen Unterricht hatte die zuständige Landesbehörde eine Bescheinigung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG a. F. erteilt. Darüber hinaus wurden Klassenfahrten für Schulen organisiert, die ebenfalls theoretischen und praktischen Unterricht sowie Beherbergung und Verpflegung umfassten. Die Klägerin betrachtete sämtliche Umsätze als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt erkannte die Steuerfreiheit nach einer Außenprüfung nicht an und betrachtete sämtliche Umsätze des Reiterhofs als steuerpflichtig. Nach teilweisem Erfolg der Klage vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein legte das Finanzamt Revision ein.
Der BFH bestätigte zunächst die Auffassung des Finanzgerichts, dass die erbrachten Leistungen des Reiterhofs jeweils eigenständige Hauptleistungen darstellen. Eine wirtschaftlich einheitliche Leistung liege nicht vor, da Unterkunft und Verpflegung einerseits sowie die Schulungsleistungen andererseits unterschiedlichen Zwecken dienten und gesondert vergütet wurden. Bezüglich der Großen Pferdegruppe erkannte der BFH die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG a. F. an. Die durchgeführten Kurse bereiteten nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts auf berufsrelevante Prüfungen vor, die Voraussetzung für den Einstieg in den Pferdeturniersport oder die Ausbildung zum Pferdefachwirt darstellen können und bestätigen damit die hierzu erteilte Bescheinigung der Landesbehörde. Hingegen seien die Leistungen im Rahmen der Ponygruppe nicht von der Umsatzsteuerbefreit, da diese vorrangig freizeitlichen Charakter hätten.
Außerdem verneinte der BFH die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 23 UStG a. F. für die Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen im Rahmen der Klassenfahrten. Der Reiterhof sei keine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift. Der Umstand, dass die Leistungen pädagogisch begleitet wurden, genüge nicht, um den sozialen Charakter der Einrichtung zu begründen. Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis, da der Reiterhof weder Teil der öffentlichen noch der anerkannten freien Jugendhilfe sei.
Das Urteil des BFH verdeutlicht die engen Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG a. F. und § 4 Nr. 23 UStG a.F. Reitunterricht wird grundsätzlich als Freizeitgestaltung angesehen und nur in Ausnahmefällen als berufsvorbereitender Unterricht eingestuft, wenn er nachweislich auf eine Berufsausbildung oder Prüfung vorbereitet.
Die Entscheidung schafft Klarheit hinsichtlich der Abgrenzung zwischen freizeitorientierten und berufsbezogenen Kursangeboten. Für Anbieter vergleichbarer Leistungen ist es daher von erheblicher Bedeutung, die tatsächlichen Inhalte und Ziele ihrer Angebote sorgfältig zu dokumentieren und gegebenenfalls die erforderlichen Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörden einzuholen. Eine solche ist nach Auffassung der Finanzverwaltungen auch nach der kürzlich erfolgten Änderung des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. b UStG (ab 2025) noch notwendig und würde für Sachverhalte, die vorher schon unter die Norm fielen, auch künftig erteilt (siehe auch: Bayrisches LfSt zur Gültigkeit von Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 UStG). Falls Sie ähnliche Fragestellungen haben oder weitere Informationen benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.
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