Mit dem „Vierten Bürokratieentlastungsgesetz“ wurde eine wichtige Änderung im Handels- und Steuerrecht beschlossen: Ab dem 1. Januar 2025 gilt eine verkürzte Aufbewahrungsfrist von 8 Jahren für Buchungsbelege. Hierüber hatten wir bereits in unserer Oktober-Ausgabe. Diese Neuregelung wirft – wie die Praxis nun zeigt – jedoch Fragen auf, insbesondere in Bezug auf den konkreten Anwendungszeitpunkt und die damit verbundenen Risiken.
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen und für Klarheit zu sorgen, möchten wir im Folgenden über die neue Rechtslage informieren – und gleichzeitig aufzeigen, warum Vorsicht geboten ist, wenn Sie die kürzere Frist tatsächlich anwenden möchten.
Vor dem 1. Januar 2024 betrug die gesetzlich vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege 10 Jahre. Diese Frist wurde durch die neue Regelung auf 8 Jahre verkürzt. Diese Änderung betrifft insbesondere die Buchungsbelege gemäß § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Alle anderen Aufbewahrungsfristen – wie für Handelsbriefe oder Jahresabschlüsse – bleiben unverändert.
6 Jahre: Handelsbriefe
8 Jahre: Buchungsbelege
10 Jahre: Handelsbücher, Jahresabschlüsse, Eröffnungsbilanzen, Inventare, Lageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung in das Handelsbuch gemacht, das Inventar aufgestellt, die Eröffnungsbilanz oder der Jahresabschluss festgestellt, der Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB oder der Konzernabschluss aufgestellt, der Handelsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist.
Wurde beispielsweise der Jahresabschluss für das Jahr 2016 im Jahr 2017 aufgestellt, gilt hierfür eine Aufbewahrungsfrist bis zum 31. Dezember 2027. Buchungsbelege, die im Jahr 2016 entstanden sind (z.B. Eingangs- und Ausgangsrechnungen aus dem Jahr 2016), dürfen handelsrechtlich ab dem 1. Januar 2025 vernichtet werden – sofern keine steuerlich relevante Festsetzungsfrist oder Prüfung dem entgegensteht.
Steuerrechtlich wurden die Aufbewahrungsfristen auch zum 1. Januar 2025 entsprechend den handelsrechtlichen Fristen angepasst (vgl. hierzu § 147 Abs. 3 Satz 1 AO, § 14b Abs. 1 Satz 1 UStG und § 26a Abs. 2 Nr. 2 UStG).
Die steuerliche Aufbewahrungsfrist endet jedoch nicht, solange die Unterlagen für steuerliche Zwecke relevant sind und die Festsetzungsfrist (§ 169 AO) noch nicht verstrichen ist. Wurde beispielsweise mit einer steuerlichen Außenprüfung begonnen, wurde die Steuer vorläufig nach § 165 AO festgesetzt oder bestehen anhängige Verfahren, sind Steuerunterlagen auch nach Ablauf der regulären Frist aufzubewahren. Somit kann die steuerliche Aufbewahrungsfrist auch mehr als 10 Jahre betragen.
Die Neuregelung tritt erstmals für Unterlagen in Kraft, deren Aufbewahrungsfrist nach der alten Regelung noch nicht abgelaufen ist. Nach altem Recht wären Buchungsbelege aus dem Jahr 2016 noch bis zum 31. Dezember 2026 aufzubewahren. Nach neuem Recht könnten diese theoretisch nach dem 31. Dezember 2024 vernichtet werden.
Obwohl eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen auf den ersten Blick wie eine bürokratische Erleichterung erscheinen mag, gibt es dennoch praktische und rechtliche Risiken, die nicht unbeachtet bleiben sollen.
Keine Entlastung für kleine und mittelgroße Organisationen: In vielen kleinen und mittelgroßen Organisationen werden die Belege nach organisatorischen Gesichtspunkten und nicht nach den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen geordnet. Oft wird bereits das Sortieren und frühzeitige Entsorgen von Unterlagen mit einer 6-jährigen Aufbewahrungsfrist als unnötiger Aufwand betrachten, weshalb alle Unterlagen in der Regel erst nach Ablauf der längsten Frist vernichtet werden. Dies könnte zu einem Problem werden, wenn die kürzere Frist für Buchungsbelege tatsächlich angewendet wird.
Gefahr bei Steuerprüfungen oder offenen Verfahren: Besonders im Falle von Steuerprüfungen oder bei offenen Rechtsbehelfsverfahren könnte die neue Regelung zu Problemen führen. Die steuerliche Festsetzungsfrist kann in bestimmten Fällen gehemmt oder verlängert sein (z.B. bei Außenprüfungen).
Gefahr bei dem Verdacht von Steuerhinterziehung: Sollte sogar der Vorwurf einer Steuerhinterziehung im Raum stehen, könnten Dokumente aus älteren Jahren zur Entkräftung beitragen. Wurden diese hingegen auf Grund der neuen 8-jährigen Frist vernichtet, könnte dies im Einzelfall negative Auswirkungen mit sich bringen. Die Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung beträgt 10 Jahre.
Obwohl die Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege theoretisch zu einer Erleichterung führen könnte, raten wir (vorerst noch) zur Beibehaltung der 10-jährigen Frist, um rechtliche Risiken – etwa bei steuerlichen Außenprüfungen, laufenden Verfahren oder im Hinblick auf die Beweislast – zu minimieren. Der administrative Aufwand der Aussortierung und das Risiko, im Falle einer Steuerprüfung nicht alle relevanten Unterlagen vorlegen zu können und damit einen Vorwurf der Steuerhinterziehung nur schwer oder gar nicht widerlegen zu können, besteht. Ergänzend hierzu können sich längere Aufbewahrungsfristen auch aus anderen Gesetzen oder Vereinbarungen (z. B. mit Mittelgebern) ergeben. Deshalb empfehlen wir, sämtliche Unterlagen – unter Berücksichtigung der längsten Frist – mindestens 10 Jahre aufzubewahren.
Sollten Sie Fragen zur Aufbewahrungsfrist haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Unsere Expertinnen und Experten stehen Ihnen gerne persönlich zur Verfügung.
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