Mit dem Urteil vom 12. März 2020, das am 20. August 2020 veröffentlicht wurde, hat der Bundesfinanzhof (BFH) nunmehr in Sachen (Un-) Angemessenheit von Geschäftsführervergütungen bei gemeinnützigen Organisationen entschieden und im streitgegenständlichen Fall die Gemeinnützigkeit der steuerbegünstigten Einrichtung endgültig versagt.
Der Entscheidung lag ein Sachverhalt aus Norddeutschland zugrunde, bei dem eine im Bereich Soziales, Gesundheit und Psychiatrie tätige gemeinnützige GmbH ihrem als Geschäftsführer angestellten Sozialarbeiter eine Vergütung (einschließlich Altersvorsorge) in Höhe von zuletzt rund 283.000 Euro zahlte. Das zuständige Finanzamt versagte die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2005 bis 2010. Dier hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern Ende 2016 ab.
Der BFH folgte nunmehr im Wesentlichen der finanzgerichtlichen Entscheidung und bestätigte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für vier Jahre. Die Revision der klagenden gemeinnützigen GmbH war allein in Bezug auf die Streitjahre 2006 und 2007 erfolgreich. Das Finanzgericht hatte für das Jahr 2006 nicht berücksichtigt, dass die Angemessenheitsgrenze lediglich geringfügig (um ca. 3.000 €) überschritten war. Ferner hatte es für das Jahr 2007 unterlassen, bei der Angemessenheitsprüfung einen Sicherheitszuschlag anzusetzen.
Ob der einem Geschäftsführer oder Vorstand gewährte Vermögensvorteil unverhältnismäßig ist, ist im Wege eines Dritt- bzw. Fremdvergleichs zu ermitteln. Der BFH entschied hierzu nun die lange Zeit umstrittene Frage, ob auch für gemeinnützige Organisationen als Ausgangspunkt allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für (nicht steuerbegünstigte) Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden dürfen, zugunsten der klagenden Einrichtung. Fortan können grundsätzlich auch gemeinnützige Körperschaften auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konkurrenzfähige Vergütungen – rechtssicher – zahlen, ohne dass dabei ein „Abschlag“ vorzunehmen ist.
Die hierdurch ermittelte Bandbreite stellt den Bereich des Angemessenen dar. Wegweisend urteilten die Richter nunmehr, dass nur diejenigen Bezüge als unangemessen zu bewerten sind, die den oberen Rand dieser Bandbreite um mehr als 20 % übersteigen.
Die Zahlung von unangemessen hohen Vergütungen stellt einen Verstoß gegen das Mittelverwendungsverbot dar und führte bislang kategorisch zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
Nunmehr entschied der BFH aber erstmalig auch über die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips beim Entzug der Gemeinnützigkeit. Danach ist die Versagung der Gemeinnützigkeit erst angemessen, wenn es sich nicht lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das sog. Mittelverwendungsverbot handelt (sog. Bagatellvorbehalt). Eine solche Geringfügigkeit erblickten die Richter im gegenständlichen Fall (noch) bei einer Überschreitung der Angemessenheitsgrenze um 3.000 Euro (Jahresumsatz: 8 Mio. Euro).
“Das Urteil ist von weitreichender Bedeutung für die Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, da es die Grundlagen für die Ermittlung von noch zulässigen Geschäftsführerbezügen aufzeigt und diese Grundsätze auch auf andere Geschäftsbeziehungen mit gemeinnützigen Körperschaften (z.B. Miet-, Pacht-, Darlehensverträge) angewendet werden können”, betonte der BFH in seiner Pressemitteilung vom 20. August 2020.
Neben den vielfältigen (steuer)rechtlichen Konsequenzen einer solchen Aberkennung geht mit dieser nicht selten auch ein Imageschaden der gemeinnützigen Institution in der Öffentlichkeit einher, weil die Mittel der Körperschaft offensichtlich nicht im ausreichenden Maße für steuerbegünstigte Zwecke eingesetzt wurden.
Um den Entzug der Gemeinnützigkeit durch Ihr zuständiges Finanzamt möglichst zu verhindern, empfehlen wir Ihnen, die Vergütungsstrukturen zu prüfen und sich ggf. eine gutachterliche Stellungnahme über die (Un-)Angemessenheit der Geschäftsführer- oder Vorstandsvergütung einzuholen.
Hierbei und bei anderen Fragen zum Gemeinnützigkeitsrecht sind wir Ihnen gerne behilflich.