Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die ursprünglich sich selbst gesetzte Frist für die Erstellung eines Gesetzesentwurfs unter Minister Hubertus Heil knapp verpasst. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Gesetzgeber mit der Entscheidung vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21), wonach Arbeitgeber schon heute zur Zeiterfassung verpflichtet sind, unter Zugzwang gesetzt hatte, wollte das BMAS eigenen Angaben zufolge im Q1 2023 einen Gesetzentwurf vorlegen. Dieser liegt nun leicht verspätet seit dem 18.04.2023 vor und dürfte einen ersten Fingerzeig darstellen, wie die Zeiterfassung für Arbeitgeber zukünftig auszugestalten sein könnte.
Nachdem das Urteil des BAG das „Ob“ der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung festgestellt hatte, gestaltet der Referentenentwurf nun seitens des Gesetzgebers das „Wie“ aus. Der Referentenentwurf sieht hier im Wesentlichen eine Neuregelung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vor, die vorgeschlagenen Neuregelungen finden sich vor allem in § 16 ArbZG.
Der Referentenentwurf enthält insbesondere folgende Regeln zur Zeiterfassung:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Hier geht der Referentenentwurf jedenfalls über die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hinaus, indem er die elektronische Form vorsieht und auch eine tägliche Zeiterfassung verlangt.
Hinsichtlich der Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung sind nach Unternehmensgröße gestaffelt Übergangszeiträume vorgesehen. Zunächst kann binnen eines Übergangszeitraumes von einem Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes eine Aufzeichnung auch in nichtelektronischer Form erfolgen. Für Arbeitgeber mit weniger als 50 bzw. 250 Arbeitnehmer beträgt der Übergangszeitraum 2 bzw. 5 Jahre.
Auch ist eine Kleinbetriebsklausel vorgesehen, die Unternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmer von der Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung befreit.
Der Entwurf sieht auch eine Pflicht vor, die Aufzeichnung in deutscher Sprache für max. zwei Jahre aufzubewahren.
Der Referentenentwurf enthält auch eine Tariföffnungsklausel: Von den Vorgaben zur elektronischen Zeiterfassung sowie zum Zeitpunkt der Erfassung kann durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden. Ebenso sieht der Entwurf die Möglichkeit vor, auf diesem Weg bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern von der Arbeitszeiterfassung auszunehmen.
Die Arbeitszeiterfassung kann auch weiterhin durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten erfolgen, der Arbeitgeber bleibt für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Sofern der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet, muss er sicherstellen, dass die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeit eingehalten werden. Dies stellt keine Änderung zur aktuellen Rechtslage dar, hierzu war der Arbeitgeber auch bisher verpflichtet.
Die Möglichkeit von Vertrauensarbeitszeit soll durch die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht beeinträchtigt werden. Der Arbeitgeber hat jedoch auch bei Vertrauensarbeitszeit sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies kann zum Beispiel durch die entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen. Durch die Regelung wird die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit nicht entbehrlich, Arbeitgeber sollen bei vereinbarter „Vertrauensarbeitszeit“ jedoch im Übrigen auf die Kontrolle der Einhaltung der vertraglichen Arbeitszeit verzichten können.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren, wobei auch die Möglichkeit besteht, diesen Vorgaben durch die Möglichkeit zur eigenständen Einsichtnahme in die elektronischen Aufzeichnungen sowie Kopien anzufertigen, entsprochen werden kann.
Der Verstoß gegen die Pflicht zu elektronischen Zeiterfassung und der Informationspflicht stellt nach dem Referentenentwurf eine Ordnungswidrigkeit dar , die mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 EUR geahndet werden kann.
Fazit:
Wenn es bei den im Entwurf enthaltenen Regelungen bleibt, wird damit die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nunmehr durch den Gesetzgeber „scharf gestellt“. Verstöße sind mit empfindlichen Bußgeldern beschwert. Besonders zu beachten sein dürften auch die Verpflichtung zur täglichen Erfassung der Arbeitszeit in elektronischer Form. Unklar bleiben auch die Verpflichtungen im Hinblick auf Vertrauensarbeitszeit. Arbeitgeber sollen zwar die Arbeitszeiterfassung nicht kontrollieren müssen, gleichzeitig aber verpflichtet sein, sicherzustellen, dass ihnen Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bekannt werden. Vertrauensarbeitszeit bleibt also nur möglich, wenn die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeiten etc. eingehalten werden.
Ebenfalls keine Klarheit schafft der Entwurf im Hinblick darauf, dass nach dem unverändert geltenden § 18 ArbZG das Arbeitszeitgesetz für leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG keine Anwendung findet, die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes, aus denen das Bundesarbeitsgericht die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung ableitet, jedoch auch für leitende Angestellte gelten sollen. Es verbleibt damit ein Widerspruch.
Positiv zu bewerten ist, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Übergangszeit zur Umstellung auf eine elektronische Arbeitszeiterfassung verbleiben soll.
Es ist jedoch auch zu betonen, dass dies nur einen ersten Entwurf des BMAS darstellt, der jetzt zunächst in der Bundesregierung abgestimmt wird und – so bleibt zu hoffen – jedenfalls im weiteren Gesetzgebungsprozess noch eine weiter Nachjustierung erfährt.
SCHOMERUS wird Sie zu den weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.