Keine Ober­g­renze mehr bei Kita-Zuzah­lung durch Eltern

03.11.2023
Gemeinnützigkeit
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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 26. Oktober 2023 (BVerwG 5 C 6.22) entschieden, dass die Berliner Obergrenze für monatliche Zuzahlungen der Eltern für die Betreuung in Kindertagesstätten unwirksam ist. Dies sei mit dem Anspruch der freien Jugendhilfeträger auf gleichheitsgerechte Beteiligung am staatlichen System der Kindertagesstättenfinanzierung unvereinbar (Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit den §§ 3 ff. SGB VIII).

Sachverhalt

Die Klägerin ist als Trägerin der freien Jugendhilfe anerkannt und betreibt in Berlin unter anderem drei Kindertagesstätten. Dabei ist auf Grund des gewählten Konzepts unter anderem der Bedarf eines höheren Personalschlüssels gegeben, der wiederum zu einem erhöhten Finanzierungsbedarf führt. Seit 2018 ist aber im Berliner Landesrecht (RV Tag) vorgesehen, dass freie Träger mit den Eltern nur noch Zuzahlungen von maximal 90 Euro pro Kind und Monat inklusive 30 Euro für Frühstück und Vesper vereinbaren dürfen. Nachdem die Klägerin dieser Regelung nicht nachgekommen war, kürzte das beklagte Land die ihr zustehende monatliche Betriebskostenerstattung für die erbrachten Betreuungsleistungen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte Erfolg.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Vorrangiger bundesrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Beurteilung der Finanzierungssysteme der Länder im Bereich der Kindertageseinrichtungen sei der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Hierbei sei insbesondere der Grundsatz der Trägerpluralität (§ 3 Abs. 1 SGB VIII) zu beachten. Danach dürfe bei der Ausgestaltung der Förderung grundsätzlich nicht nach Wertorientierungen oder Inhalten, Methoden und Arbeitsformen der freien Träger differenziert werden. Diese seien vielmehr wegen der ihnen gewährleisteten Autonomie (§ 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) befugt, in ihrem pädagogischen Leistungsangebot auch über das hinauszugehen, was Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder andere freie Träger für erforderlich hielten. Dies schließe das Recht ein, die hierfür notwendigen und nicht durch die öffentliche Förderung abgedeckten Mittel durch Zuzahlungen von Seiten der Eltern zu erheben, wenn ein deren Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) entsprechender Bedarf bestehe.

Die in der RV Tag vorgesehene strikte Zuzahlungsbegrenzung hält den strengen Anforderungen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand. Sie verfolge zwar einen legitimen Zweck, so solle sie der Absicherung der in Berlin eingeführten (weitgehenden) Elternbeitragsfreiheit dienen und zur Verwirklichung von Chancengleichheit bei der Inanspruchnahme von Tagesstättenplätzen die ökonomischen Zugangsschwellen möglichst niedrig halten. Zur Erreichung dieses Zwecks sei sie auch geeignet und erforderlich.

Die Regelung erweise sich allerdings als unangemessen, weil sie das Rechtsgut der Trägerpluralität bei Überschreiten der Zuzahlungshöchstgrenze ausnahmslos zurücktreten lasse. Sie berücksichtige nicht, ob der jeweilige Träger zur Verwirklichung seiner gewählten pädagogischen Zielsetzung zwingend auf eigene Einnahmen angewiesen sei, die er durch Zuzahlungen decken wolle. Ob dies bei belastbaren Erkenntnissen über eine relevante Zahl von Fällen, in denen Tagesstättenplätze durch hohe Zuzahlungen dem chancengleichen Zugang entzogen werden, anders zu bewerten sei, hatte der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.

Aus diesem Grund musste das Land Berlin einbehaltene Gelder in Höhe von 200.000 € zahlen.

Ausblick

Der Wortlaut der vorliegenden Pressemitteilung (PM Nr. 75/2023) deutet darauf hin, dass lediglich eine strikte Grenze nicht zulässig sei. Es könnte daher möglich sein, dass das Land Berlin nachbessert und ggf. Stufen in der RV Tag einführt. Ob diese dann rechtmäßig wären, würde sich vermutlich in einem weiteren Rechtsstreit zeigen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 75/2023 des BVerwG vom 26.10.2023

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