FG München: Kein Verlust der Rechtsfähigkeit bei Sitzverlagerung einer EU/EWR-Stiftung

28.10.2025
Gemeinnützigkeit
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Das Finanzgericht München (FG) hat mit Urteil vom 13.08.2025 (Az. 4 K 2055/23) entschieden, dass eine im EU/EWR-Ausland rechtswirksam gegründete Stiftung ihre Rechtsfähigkeit nicht allein durch die Verlagerung ihres Verwaltungssitzes in das Inland verliert.

Hintergrund

Im Ausgangspunkt geht es um die Frage, welches Gesellschaftsstatut (d.h. welches nationale Recht) anwendbar ist. Dabei stehen sich zwei Theorien gegenüber: Nach der sog. Sitztheorie richtet sich das anwendbare Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Staates, in dem eine juristische Person ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Danach würde ein Wechsel des Verwaltungssitzes zu einem Wechsel des anzuwendenden Rechts (sog. Statutenwechsel) führen. Die Gründungstheorie knüpft dagegen an das Recht des Gründungsstaates an.

Mit dieser Streifrage hat sich das FG München in seiner Entscheidung befasst und Stellung zu der Frage genommen, ob die Rechtsfähigkeit einer nach liechtensteinischem Recht gegründeten Stiftung bei einer Verlagerung des Verwaltungssitzes nach Deutschland verloren geht und dadurch Zuwendungen an die Stiftung beim Stifter schenkungssteuerlich zu erfassen sind.

Sachverhalt

Der in Deutschland ansässige Kläger ist Stifter einer nach liechtensteinischem Recht wirksam errichteten Stiftung. Zweck der Stiftung ist die Förderung des Klägers als Alleinbegünstigten zu dessen Lebzeiten. Geldausschüttungen erfolgen ausschließlich an den Kläger als Stifter. In den Stiftungsstatuten wurden dem Stifter keine umfassenden Herrschafts- und Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf das Stiftungsvermögen eingeräumt. Gegenüber dem Stifter konnte die Stiftung damit frei über das ihr übertragene Vermögen verfügen.

Nach ihrer Errichtung verlegte die Stiftung ihren Verwaltungssitz von Liechtenstein nach München. Von dort aus ist sie gewerblich tätig und als Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Grundbuch eingetragen.

Die Stiftung erhielt die Zuwendung eines Dritten in Höhe von 30.000 Euro. Das Finanzamt setzte daraufhin gegen den Stifter Schenkungssteuer in Höhe von 1.500 Euro fest, da die Zuwendung als freigiebige Zuwendung an den Stifter zu qualifizieren sei. Zur Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass die Rechtsfähigkeit der Stiftung durch die Sitzverlagerung erloschen sei.

Entscheidung des Gerichts

Das FG München gab der hiergegen gerichteten Klage des Stifters statt und hob den Schenkungssteuerbescheid auf:

Die Zuwendung des Dritten an die Stiftung stelle keine unentgeltliche Zuwendung an den Stifter i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Das ergebe sich insbesondere daraus, dass die Zuwendung nicht dem Stifter, sondern der Stiftung als Zuwendungsempfängerin zuzurechnen sei.

Im Zuwendungszeitpunkt sei die Stiftung rechtlich existent gewesen und habe insbesondere durch die Verlagerung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland ihre Rechtsfähigkeit nicht verloren. Während das Finanzamt noch auf die sog. Sitztheorie abstellte, folgte das FG München der sog. Gründungstheorie. Danach richtet sich die Beurteilung der Rechtsfähigkeit der Stiftung nach dem Recht ihres Gründungsstaates, das heißt nach liechtensteinischem Recht.

Dabei schließt sich das FG München in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften (EuGH, Urteil v. 5.11.2002, Rs C-208/00, Überseering; EuGH, Urteil v. 30.11.2003, Rs C-167/01, Inspire Art) und der darauffolgenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 19.9.2005, Az. II ZR 372/03) an und überträgt diese auf Stiftungen. Nach dieser Rechtsprechung ist die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften, die im EU/EWR-Raum gegründet wurden, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sie gegründet wurden. Da die streitgegenständlich Stiftung unter anderem eine Photovoltaikanlage in Deutschland betreibt und damit ein Erwerbszweck gegeben sei, sei die Stiftung als „sonstige juristische Person“ i.S.d. Art. 54 Abs. 2 AEUV anzusehen und könne sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen.

Der Umstand, dass die Stiftung als privatnützige Stiftung nicht der bayerischen Stiftungsaufsicht unterlag, könne nicht zur Begründung der Anwendung der sog. Sitztheorie herangezogen werden. Es liege kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit vor, selbst dann nicht, wenn die Gründung in Liechtenstein nur dazu gedient hätte, in den Genuss vorteilhafter Rechtsvorschriften zu kommen. Die sog. Sitztheorie, nach der die Rechtsfähigkeit der Stiftung vom Verwaltungssitz abhängen würde, ist danach nicht anwendbar.

Nach Auffassung des FG München handele es sich bei der Stiftung zudem unzweifelhaft um eine selbstständige Vermögensmasse ausländischen Rechts i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Das Stiftungsvermögen wäre dem Stifter nur zuzurechnen, wenn dieser sich umfassende Herrschafts- und Entscheidungsbefugnisse über das Stiftungsvermögen vorbehalten hätte, so dass die Stiftung nicht mehr frei über das ihr zugewendete Vermögen verfügen könnte. Ausweislich der Stiftungsstatuten konnte der Stifter im Streitfall aber keinen Einfluss auf die Anlageentscheidungen der Stiftung nehmen. Deshalb sei das Stiftungsvermögen dem Stifter nicht zurechenbar. Das hat zur Folge, dass durch die Zuwendung des Dritten an die Stiftung schon dem Grunde nach keine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare unentgeltliche Zuwendung an den Stifter ausgelöst werden konnte.

Ausblick

Das Urteil des FG München überträgt die sog. Gründungstheorie auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH konsequent auf Stiftungen. Auch die Verlagerung des Verwaltungssitzes einer EU/EWR-Stiftung nach Deutschland ändert demnach nichts daran, dass Zuwendungen Dritter an die Stiftung nicht dem Stifter zuzurechnen sind.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das FG München die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen. Die Revision wurde zwischenzeitlich eingelegt (Az. II R 41/25). Die Frage des Fortbestands der Rechtsfähigkeit von im Ausland gegründeten Stiftungen nach der Sitzverlegung in das Inland ist höchstrichterlich bislang noch nicht geklärt. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH im Revisionsverfahren zu dieser Frage positioniert.

Sobald der BFH eine Entscheidung getroffen und veröffentlicht hat, informieren wir Sie selbstverständlich umgehend. Falls Sie Fragen in diesem Bereich haben, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.

Bildnachweis:Harvepino/Stock-Fotografie-ID:859466470

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