BFH zu Kostenteilungsgemeinschaften

18.02.2025
Gemeinnützigkeit
3 Minuten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 4.9.2024 (Az. XI R 37/21) entschieden, dass sich eine aus Ärzten bestehende Praxisgemeinschaft für Besteuerungszeiträume vor Einführung des § 4 Nr. 29 UStG unter bestimmten Voraussetzungen auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen kann. Die Entscheidung beinhaltet wichtige Grundsätze zur Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. F MwStSystRL und ist damit auch für die Auslegung des § 4 Nr. 29 UStG, der die EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzt, von großer Bedeutung.

Hintergrund

Im Umsatzsteuerrecht unterliegen Leistungen von Unternehmern grundsätzlich der Umsatzbesteuerung. Bestimmte dem Gemeinwohl dienende Leistungen, wie beispielsweise medizinische Leistungen, Leistungen der Sozialfürsorge oder bestimmte Leistungen von gemeinnützigen Einrichtungen werden gemäß § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 können diese Leistungen auch von der Steuer befreit sein, wenn diese von bestimmten Zusammenschlüssen (Kostenteilungsgemeinschaften) unter engen Voraussetzungen erbracht werden. Vor Einführung des § 4 Nr. 29 UStG war dies nur unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL möglich.

Auf unionsrechtlicher Ebene regelt Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, dass bestimmte Dienstleistungen von selbstständigen Gruppen von Personen steuerbefreit sind, sofern diese Leistungen unmittelbar dazu dienen, ihren Mitgliedern steuerfreie Tätigkeiten zu ermöglichen, keine Wettbewerbsverzerrung bewirken und lediglich die genauen Kosten erstattet werden. Strittig war die Frage, welche Leistungen der Praxisgemeinschaft umsatzsteuerlich befreit sein sollten.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine aus zwei Ärzten bestehende Praxisgemeinschaft, wurde durch einen Gemeinschaftsvertrag gegründet und verfolgte das Ziel, Praxisräume, medizinische Ausstattung und Personal gemeinschaftlich zu nutzen. Die Ärzte übten ihre ärztlichen Tätigkeiten jeweils in eigenem Namen und auf eigene Rechnung aus. Die Praxisgemeinschaft selbst sollte keine Gewinne erzielen, sondern arbeitete nach dem Kostendeckungsprinzip, sodass die Mitglieder jeweils ihren Anteil an den gemeinsamen Kosten erstatteten.

Die Praxisgemeinschaft beschäftigte unter anderem eine Bürokraft für Verwaltungsaufgaben sowie eine Reinigungskraft für die Praxisräume. Zudem schloss sie mit externen Fachkräften, darunter eine Krankengymnastin und eine Heilpraktikerin, Verträge über die Nutzung der Räumlichkeiten und deren Abrechnung gegenüber Patienten. Der Arzt A übernahm die Geschäftsführung der Praxisgemeinschaft und erhielt hierfür eine Vergütung, die mündlich mit dem anderen Gesellschafter vereinbart worden war.

Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, dass die Praxisgemeinschaft als Unternehmerin anzusehen sei und steuerbare Leistungen gegen Entgelt an ihre Mitglieder erbringe. Insbesondere wurde beanstandet, dass die Praxisgemeinschaft Verwaltungs- und Reinigungsleistungen sowie Abrechnungsdienstleistungen für ihre Mitglieder erbringe und hierfür Zahlungen erhalte, die als umsatzsteuerpflichtige Entgelte zu werten seien. Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 fest.

Gegen diese Festsetzung erhob die Klägerin Einspruch, den das FA zurückwies. In der nachfolgenden Klage entschied das Finanzgericht zugunsten der Klägerin. Das FA legte daraufhin Revision beim BFH ein.

Entscheidung des Gerichts

Der BFH entschied, dass eine Praxisgemeinschaft zwar als Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen ist, jedoch nicht zwangsläufig steuerpflichtige Leistungen an ihre Mitglieder erbringe und wies die Revision des Finanzamts zurück. Der Senat stellte fest, dass die streitigen Leistungen unter die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL fallen. Die Regelung befreit Dienstleistungen von selbstständigen Zusammenschlüssen, wenn sie ausschließlich an Mitglieder erbracht werden, für die unmittelbare Ausübung ihrer steuerfreien Tätigkeit erforderlich sind und lediglich gegen Kostenerstattung erfolgen. Der BFH stellte klar, dass die Praxisgemeinschaft diese Voraussetzungen erfüllte, da ihre Geschäftsführungs-, Verwaltungs- und Reinigungsleistungen unmittelbar der ärztlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder dienten und keine Gewinne erzielt wurden.

Von weiterer Relevanz war die Frage, ob durch die Steuerbefreiung eine Wettbewerbsverzerrung entstehen könnte. Das Finanzamt argumentierte, dass private Unternehmen, die vergleichbare Verwaltungs- oder Reinigungsdienstleistungen anbieten, benachteiligt würden. Der BFH widersprach dieser Argumentation mit Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach im Gesundheitswesen regelmäßig keine Wettbewerbsverzerrungen drohen. Zudem stellte das Gericht klar, dass die Geschäftsführungsleistungen eines Arztes der Praxisgemeinschaft nicht steuerbar waren, da sie ausschließlich der internen Organisation dienten und kein Leistungsaustausch mit den Gesellschaftern vorlag.

Mit diesem Beschluss bestätigte der BFH, dass Praxisgemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuerbefreiung profitieren können, wenn sie als reine Kostenteilungsgemeinschaften agieren und ihre Leistungen ausschließlich den Mitgliedern zur Verfügung stellen.

Ausblick

Die Entscheidung des BFH hat weitreichende Bedeutung für Praxisgemeinschaften und vergleichbare Zusammenschlüsse von (gemeinnützigen) Einrichtungen, insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens und der Pflege. Sie verdeutlicht wichtige Grundsätze zur Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL und des § 4 Nr. 29 UStG, wonach Leistungen von Kostenteilungsgemeinschaften unter weitreichenden Tatbestandsvoraussetzungen umsatzsteuerfrei sind. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal, wonach die Tätigkeit der Kostenteilungsgemeinschaft „unmittelbar“ der steuerbegünstigten Tätigkeit dienen müsse, legt der BFH dahingehend aus, dass auch Reinigungs- und Verwaltungsleisten begünstigt sein können. Der BFH stellt sich damit gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. BMF-Schreiben vom 19.7.2022 zu § 4 Nr. 29 UStG, wonach allgemeine Verwaltungsleistungen nicht unter die Steuerbefreiung fallen sollen.

Für die Praxis empfiehlt es sich, Gemeinschaftsverträge und Abrechnungsmodalitäten entsprechend den BFH-Vorgaben zu gestalten, um eine steuerliche Belastung zu vermeiden. Sollten Sie hierzu weiterführende Fragen haben, stehen Ihnen unsere Experten gerne zur Verfügung.

Bildnachweis:Photo travelling people Sports/Stock-Fotografie-ID:1987514963

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