Anderslautende und neue Empfehlungen der Fachausschüsse zur geplanten Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

19.09.2024
Gemeinnützigkeit
4 Minuten

Am 17.09.2024 haben der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss in ihrer Empfehlung an den Bundesrat bedeutende Änderungen am Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Steuerrechts und des Einkommensteuertarifs vorgeschlagen. Besonders für steuerbegünstigte Einrichtungen gibt es anderslautende Einschätzungen sowie wichtige Neuerungen, die wir Ihnen im Folgenden in gebotener Kürze zusammengefasst haben.  

Anhebung der Ehrenamtspauschale und Übungsleiterpauschale 

Im Rahmen der aktuellen Gesetzesinitiative wird eine moderate Anhebung der Ehrenamtspauschale von 840 Euro auf 1.000 EUR, mindestens aber auf 900 Euro sowie des Übungsleiterfreibetrags von 3.000 Euro auf 3.500 EUR, mindestens aber auf 3.300 Euro vorgeschlagen. Diese Anpassungen zielen darauf ab, die Steuerfreiheit für angemessene Aufwandsentschädigungen zu gewährleisten und die mit der Besteuerung verbundenen finanziellen Belastungen für ehrenamtlich Tätige zu reduzieren. Angesichts der aktuellen Inflationsentwicklung und der zentralen Bedeutung des Ehrenamts für das gesellschaftliche Zusammenleben wird argumentiert, dass diese Maßnahmen einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements leisten. 

Zeitnahe Mittelverwendung nach § 55 AO 

Die geplante Streichung der Vorschriften zur zeitnahen Mittelverwendung in § 55 Absatz 1 Nr. 5 AO (wir berichteten hierüber: Eine (kleine) Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vor dem Durchbruch (schomerus.de) ) wird als problematisch erachtet, da dieser Grundsatz aus der Rechtsprechung abgeleitet wurde und eine zentrale Rolle im Gemeinnützigkeitsrecht spielt. Er besagt, dass gemeinnützige Körperschaften ihre Mittel innerhalb von zwei Kalenderjahren nach dem Zufluss für die satzungsmäßigen Zwecke verwenden müssen. Diese Regelung stellt sicher, dass Spenden und Fördermittel zeitnah dem Gemeinwohl zugutekommen und verhindert eine übermäßige Ansammlung von Vermögen. 

Die Abschaffung dieses Gebots könnte zu Rechtsunsicherheiten führen, da in solchen Fällen die Einhaltung des Selbstlosigkeitsgebots nicht mehr klar nachvollziehbar wäre. Dies könnte sowohl für die betroffenen Organisationen als auch für die Finanzverwaltung erhebliche Unsicherheiten mit sich bringen, da im Einzelfall geprüft werden müsste, ob ein Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot vorliegt, was potenziell zu Rechtsstreitigkeiten führen könnte. Daher sprechen sich die Ausschüsse für eine Beibehaltung der bisherigen Grundsätze und Regelungen aus.  

Allerdings wird vorgeschlagen, die Schwelle für diejenigen anzuheben, die von der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 4 AO). Diese empfohlene Anhebung der Einnahmengrenze von 45.000 EUR auf 80.000 EUR würde es gemeinnützigen Organisationen erleichtern, auch größere Projekte zu finanzieren, ohne die Gefahr einer übermäßigen Vermögensbildung. Durch die Beibehaltung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung wird sichergestellt, dass das Vertrauen der Spender in die Verwendung ihrer Zuwendungen gewahrt bleibt, was wiederum die Glaubwürdigkeit und die Qualität der Gemeinnützigkeit stärkt. 

Photovoltaikanlage 

Abweichend vom Gesetzesentwurf, in dem vorgesehen ist, dass nur bestimmte Photovoltaikanlagen als Selbstversorgungseinrichtungen und damit als fiktive Zweckbetriebe gelten sollen, empfehlen die Ausschüsse einen grundlegenden anderen Ansatz. Anstelle einer faktisch leerlaufenden Neuregelung (schließlich wäre die Voraussetzung für die Anerkennung als Selbstversorgungseinrichtung sehr eng gestrickt) bietet sich eine Alternativlösung an, die dem Ziel beiträgt, im Interesse des Klima- und Umweltschutzes die Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausneutralen Stromversorgung zu fördern. Es wird empfohlen, die Anschaffung und den Betrieb von Photovoltaikanlagen und anderen Anlagen nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz als steuerlich unschädliche Betätigungen nach § 58 AO einzustufen. Der Alternativvorschlag ist im Gegensatz zu der ursprünglich vorgeschlagenen Regelung zielgenau konzipiert und begünstigt nicht nur Photovoltaikanlagen sondern daneben auch anderen nachhaltige Energieerzeugungsquellen. Zwar würde die Einspeisung von nicht selbst verbrauchtem Strom – wie bisher – unter den allgemeinen Voraussetzungen einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen, wenn die Besteuerungsgrenze nach § 64 Abs. 3 AO (45.000 EUR) überschritten wäre und keine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG eintreten würde. Die Voraussetzungen zur Anerkennung als Selbstversorgungseinrichtung an die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG zu knüpfen – wie es aktuell vorgesehen ist – dürfte allerdings für Vereine zu eng sein, die eine Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Sport- oder Schützenhalle errichten. Schließlich wurde § 3 Nr. 72 EStG vornehmlich für Besitzer privater Immobilen eingeführt und begünstigt nur Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 30 kW (peak). Für größeren Organisationen mit mehreren Gebäuden ist diese Grenze erst recht zu niedrig. 

Business Judgement Rule 

Ein zentrales Anliegen der Gesetzesinitiative ist die Übertragung der „Business Judgement Rule“ auf das Gemeinnützigkeitsrecht. Diese Regelung, die bereits im Gesellschaftsrecht Anwendung findet, schützt Entscheidungsträger in gemeinnützigen Organisationen vor Haftung, sofern ihre Entscheidungen auf angemessenen Informationen basieren und im besten Interesse der Körperschaft getroffen werden. Dies würde den Verantwortlichen mehr Handlungsspielräume geben und dazu beitragen, dass sie ohne Angst vor unverhältnismäßigen Konsequenzen wirtschaftliche Entscheidungen treffen können, die letztlich der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke dienen. 

Abgestuftes Sanktionssystem 

Der Vorschlag zur Einführung eines abgestuften Sanktionssystems sieht vor, dass der Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus nur bei schwerwiegenden und wiederholten Verstößen gegen das Gemeinnützigkeitsrecht erfolgt. Kleinere Verstöße, wie etwa die Fehlverwendung von Mitteln, sollten stattdessen durch Sanktionszahlungen geahndet werden. Diese Differenzierung zielt darauf ab, die Unsicherheit und das Risiko für gemeinnützige Organisationen zu verringern, wodurch die Hemmschwelle für ehrenamtliches Engagement gesenkt werden könnte. Die Schaffung eines transparenten Rahmens für die Sanktionierung würde sowohl den Organisationen als auch der Finanzverwaltung eine klarere Handhabung der Regelungen ermöglichen. 

Ausblick 

Diese Empfehlungen reflektieren den aktuellen politischen Willen, die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt und die Gemeinnützigkeit nachhaltig zu verbessern, die bürokratischen Anforderungen zu reduzieren, die Energiewende voranzutreiben und das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland zu fördern. Insbesondere wird – anders als noch im Referentenentwurf – nunmehr auch auf einen Teil der Forderungen einiger Verbände und Expert:innen aus dem Recht der Gemeinnützigkeit eingegangen. Es bleibt zu wünschen, dass die eingeschlagene Richtung der Empfehlungen beibehalten wird und weitere wichtige Ansätze (z. B. spenden statt vernichten) noch hinzutreten. 

Bildnachweis:NicoElNino/Stock-Fotografie-ID:1445362736

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